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Das Dynamische der modernen Zeit Dabei handelt es sich um eine italienische Kunstbewegung am Anfang des 20. Jahrhunderts, der fünf Maler angehörten: Boccioni, Carrà, Russolo, Balla und Severini; den Begriff “Futurismus” prägte der Schriftsteller Marinetti allerdings bereits im Jahre 1908. Ziel dieser Bewegung war es, das Dynamische der Zeit in der Kunst wiederzugeben, so daß zentrale Themen die Erscheinung der Massengesellschaft, die Großstadt und das Tempo des Verkehrs waren. Dieses Ziel sollte mit Techniken wie dem Divisionismus (=Zerlegung des Farbauftrages in kleine, nebeneinandergesetzte Tupfen, die sich erst im Auge des Betrachters mischen) und dem Kubismus erreicht werden, wobei diese Techniken mit Elementen des Dynamischen, wie Lichtbündelung, vibrierende Konturen und phasenhaft wiederholte Formvariationen, ergänzt wurden.

Der italienische Futurismus

(Rudolf Behrens)

“Die von Ihnen geschaffene Kunstrichtung war es, die die stupide Psychologie des Naturalismus hinter sich warf, das faul und zäh gewordene Massiv des bürgerlichen Romans durchstieß und mit der funkelnden und rapiden Strophik Ihrer Hymnen auf das Grundgesetz der Kunst zurückging: Schöpfung und Stil” – mit diesen Worten begrüßt am 29. März 1934 Gottfried Benn auf dem Berliner Bankett der Union nationaler Schriftsteller seinen Kollegen Filippo Tommaso Marinetti, den Gründer und Promotor des italienischen Futurismus, und er fährt fort: “Sie forderten die Liebe zur Gefahr, die Gewöhnung an Energie und Verwegenheit, den Mut, die Unerschrockenheit, die Rebellion, den Angriffspunkt, den Laufschritt, den Todessprung, und dies nannten Sie &Mac226;die schönen Ideen für die man stirbt‘. Sie hatten, Herr Marinetti, das ungeheure Glück, das vielleicht seit den hellenischen Architekten keinem Künstler mehr zuteil ward, (nämlich) zu erleben, wie die Gesetze ihres inneren Gesichts in ihrem Volk das Ideal der Geschichte wurden. [...] Wir hier, die wir ihre Gedanken aufnahmen [...], hatten nicht das Glück, den Schritt von der Kunst in den Rausch der Geschichte zu tun. Erdrückt von der Übermacht großer Epiker einer älteren Generation, durch Krieg und Frieden zu Verlusten in unseren Reihen gebracht, viel tiefer zerrissen von Form- und Unformproblemen, als es die romanischen Völker kennen, erreichte meine Generation in keinem den Glanz, der über Ihrem Namen liegt.”
Benns Rede von 1934 ist ein unterwürfiger Versuch, die in Italien längst verblichene Strahlkraft des Futurimus, der 1909 mit seinem ersten Manifest in die europäische Öffentlichkeit getreten war, für die Indienstnahme der Kunst durch den nationalsozialistischen Staat zu benutzen. Was in Italien so glänzend gelungen schien, die vorbereitende und dann begleitende Rolle einer avantgardistischen, umstürzlerischen Kunst für einen faschistischen Staat, dieses Erbe – so sinngemäß Benn – sei nun unter nationalsozialistischen Vorzeichen von den deutschen Literaten anzutreten.
Man mag Benns Sicht des Futurismus für funktional inszeniert, gar für historisch verfälschend halten, weil er eine gänzlich nahtlosen Übergang von Futurismus zu Faschismus unterstellt, was bei näherem Hinsehen nicht unproblematisch ist. Unstrittig ist aber, daß Benn mit sicherem Blick für den Kern der italienischen Avantgarde-Bewegung deren historische Sprengkraft auf einen brisanten Nenner bringt: Diese Kunst – das hatte Benn sehr richtig erkannt - machte vor den sozialen Institutionen außerhalb der Kunst nicht Halt, sondern begriff sich als totalisierende Durchstilisierung aller Lebensbereiche – und dies mit aktionistischen, aggressiven und destruierenden Selbstinszenierungen, die vor allem an zwei immer wiederkehrenden Paradigmen gebunden waren, an den abstrakten Modus der Schnelligkeit (&Mac226;velocità‘) und an an allem, was im engeren oder weiteren Sinne eine Maschine darstellte, das Auto, das Elektrizitätswerk, vor allem aber das Flugzeug und besonders das Kampfflugzeug. DerFokus zumindest des ursprünglichen Futurismus war in der Tat – wie es Benns Anspielung auf Begriffe wie Laufschritt und Todessprung andeutete - der Krieg, sei es im metaphorischen Sinne, daß allen bourgeoisen Überkommenheiten – d.h. dem sogenannten Passatismus – der Kampf angesagt wurde, sei es im litteralen Sinne, daß der reale Krieg der einzige Ort zu sein schien, an dem sich die beschworenen Tugenden, Handlungen und Wahrnehmungen in einer Art ekstatisch explodierendem Lebenskunstwerk bündeln ließen. Benns anbiedernder Versuch, dem italienischen Futurismus im Zeichen des deutschen Nationalsozialismus eine glorreiche Vorläuferschaft zuzuschreiben, hat insofern auch eine Pointe, als er mit der Umarmung der futuristischen Kriegsästhetisierung den latenten Endzweck des Naziregimes zu erkennen gab, im totalen Krieg nämlich die letzte aller exterminatorischen Säuberungen im Dienste einer rassischen Selbstveredelung durchzuführen. Freilich täuschte Benn sich gewaltig, wenn er gegen Ende seiner Rede die für ihn entscheidenden Leitbegriffe &Mac226;Form‘ und &Mac226;Zucht‘ als gemeinsame Plattform von nationalsozialistischem und faschistischem Staat sowie der futuristischen Bewegung ausgab. So sehr er nämlich im Recht war, wenn er die ubiquitäre Aggressivität des Futurismus betonte, so sehr müssen wir es als einen sehr deutschen Mißgriff verstehen, wenn er dem Futurismus unterstellt, über einen ästhetischen Stilwillen &Mac226;Zucht‘ in den Staat bringen zu wollen. Marinetti ist es zwar in den 20er und 30er Jahren gelungen, sich und den von Freunden mitorganisierten Futurismus dem faschistischen Regime Mussolinis als Staatsideologie anzudienen. Indes hat ihn der Duce, aus nicht unbegründetem Mißtrauen gegen die aktionistischen und deshalb letztlich nicht kontrollierbaren Grundorientierungen, mit einer gewissen Zurückhaltung behandelt. Jedenfalls ist das Verhältnis zwischen der 1922 durch den Marsch auf Rom an die Macht gelangten Partei der Fasci und der älteren, seit 1909 sich formierenden ästhetisch-revolutionären Bewegung des Futurismus nicht spannungsfrei gewesen.
Wenn man die Dinge sehr grob zeichnet, kann man sagen, daß die Gründungsphase des Futurismus, zwischen 1909 und dem Moment des Kriegseintritts Italiens 1915, eine Phase des kongenialen Miteinanders gewesen ist. Es war ein Phase in der Marinetti und Mussolini mit gemeinsamen oder wenigstens sich stark berührenden Strategien operierten. Der expansionistisch motivierte Libyenkrieg von 1911, in dem sich sich die ersten nationalistischen Affekte entzündeten und in den sich der Futurismus geradezu propagandistisch hineinstürzte, markiert in gewisser Weise den mythischen Ursprungspunkt einer dem Faschismus und dem Futurismus gemeinsamen Genealogie. Bekräftigt wurde diese Genialogie durch den pathetisch gefeierten Eintritt Italiens 1915 in den Ersten Weltkrieg, in dem es aus italienischer Sicht nicht zuletzt um die Abrechnung mit dem umklammernden Erzfeind Österreich ging. Bei diesen Konsolidierungs- und Verschmelzungstendenzen zwischen Futurismus und beginnenden nationalistisch-faschistischen Formierungen spielte ein weiteres markantes Moment eine Rolle, der irredentistische Impuls nämlich zur Befreiung der sogenannten &Mac226;noch nicht erlösten Gebiete‘, ein Impuls, der 1919 in der waghalsigen, flugtechnisch unterstützten Besetzung des nach dem Weltkrieg nicht freigegebenen, also österreichischen Fiume seinen Höhepunkt fand – ein spektakuläres Ereignis aber auch, bei dem der spätere Duce Mussolini, der dekadentistische Schriftsteller D’Annunzio und der Futurismus-Repräsentant Marinetti sich die Rollen des Szenarios teilten. Marinetti spielte dabei allerdings eine eher unglückliche Rolle; er wurde von dem legendären Commandante D’Annunz aus der Stadt gewiesen.
Die nachfolgenden Jahre, in denen der Faschismus nach dem Auftrag zur Kabinettsbildung 1922 an die Macht gelangt, sind nun eher von leichten Spannungen und Differenzen zur futuristischen Bewegung gekennzeichnet. In den 20er Jahren drängt der Futurismus seinen Zielen gemäß in die Strukturierung der Lebenspraxis vor. Die Bewegung will im strengen Sinne politisch handeln und macht so der faschistischen Partei regelrecht Konkurrenz, nicht zuletzt indem sie anarchistische und kommunistische Varianten der Einbindung der Volksmassen ausprobiert. Später dann, ab etwa 1924, übt sich Marinetti in bewußt kalkulierter Selbstdisziplin und überläßt dem Faschismus das politische Feld, aber nur, um sich und den Futurismus als Vorboten der nunmehr siegreichen faschistischen Politik darzustellen.
Was nun Gottfried Benn 1934 am italienischen Futurismus faszinierte und was ihn offenbar auch zu dem Mißverständnis einer Identitätsvermutung zu Faschismus und Futurismus verleitete, nämlich die Genese einer antibürgerlichen Ästhetik aus der Semantik des Krieges heraus, das will ich in der heutigen Vorlesung zum Ausgangspunkt meiner Darstellung machen. In einem ersten Schritt will ich deshalb die programmatischen Anfänge des Futurismus vor allem mit Blick auf die aggressiven und destruierenden Argumentationsmuster vorstellen, mit denen sich diese Gründungsurkunden Gehör verschafften. Dabei wird es vor allem darum gehen, die Destruktionspotentiale des Futurismus historisch zu kontextualisieren und damit auch zu relativieren. In einem zweiten Schritt sollen dann die ästhetischen Konsequenzen – und zwar hinsichtlich der Gegenstände der Darstellung und hinsichtlich ihrer textuellen Verarbeitung - aufgezeigt werden, sofern sie über die originäre Verklammerung mit der Kriegsthematik hinausgehen. Dabei werden vor allem drei thematische Paradigmen im Vordergrund stehen: Das Prinzip der Schnelligkeit, der Gegenstand der Maschine und der Modus der Sexualität. Meiner Kompetenz gemäß werde ich mich im wesentlichen auf den literaischen Futurismus, vor allem der Anfangszeit, konzentrieren – und dabei Marinetti zum Schwerpunkt machen. Auf die bildende Kunst, die sich wie – in geringerem Ausmaß - die Musik futuristischen Prinzipien angeschlossen hat, komme ich dabei nur punktuell zu sprechen. Sollte es Ihnen zu langweilig werden, dann können Sie natürlich gerne schon mit der Lektüre des Hand-Outs beginnen. Ich empfehle als Entrée einen Blick auf die Abb. 1. Dort sehen sie Marinetti in der Mitte, umringt von seinen Freunden (von links nach rechts) Luigi Russolo, Carlo Dalmazzo Carrà, Umberto Boccioni und Gino Severini.
1.
Provokant und gezielt in der medialen Strategie sind schon die ersten Äußerungen des Futurismus. Man sieht das an dem sogenannten “Premier manifeste”, das am 20. Februar 1909 in Paris auf der ersten Seite des konservativen Figaro erschien. Marinetti, ein im ägyptischen Alexandrien aufgewachsener Sohn eines italienischen Juristen, hatte 1893 kurz vor seinem Abitur die Schule wechseln müssen. Er war deswegen nach Paris gezogen und hatte dann nach einem Jurastudium in Padua und ersten Bohème-Jahren in Mailand wiederum Paris zu seinem Lebenszentrum gemacht, wo er im Umkreis der Symbolisten und in engem Kontakt zu Alfred Jarry und Guillaume Appolinaire das literarische Milieu aufmischte. Das Manifest vom 20. Februar 1909 enthält außer einer epischen Einleitung nur 11 Punkte, in denen neben banalen Provokationen, wie der Behauptung, ein Rennauto sei schöner als die Nike von Samothrake, auch der berüchtigt gewordene Punkt 9 enthalten ist. Dort heißt es mit schöner Unumwundenheit: “Noi vogliamo glorificare la guerra – sola igiene del mondo; wir wollen den Krieg verherrlichen - diese einzige Hygiene der Welt - , den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes, il disprezzo della donna”.
Auf Anhieb möchte man noch vermuten, solche Behauptungen seien nur rhetorisch zu verstehen, als eine ultimative Überbietung des seit Baudelaire gängig gewordenen “épater le borgeois”. Die nachfolgenden Sätze 10 und 11 steigern sich nun tatsächlich in einen Rundumschlag hinein, von dem es schwer fällt, ihn nicht als eine theatralische Geste zu verstehen. Hören wir für einen Moment Marinetti noch einmal zu:
“10. Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und gegen jede Art von Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.
11. Wir werden die großen Menschenmengen besingen, die die Arbeit, das Vergnügen oder der Aufruhr erregt; besingen werden wir die vielfarbige, vielstimmige Flut der Revolutionen in den modernen Hauptstädten; besingen werden wir die nächtliche, vibrierende Glut der Arsenale und Werften, die von grellen elektrischen Monden erleuchtet werden; die gefräßigen Bahnhöfe, die rauchende Schlangen verzehren; die Fabriken; die Brücken, die wie gigantische Athleten Flüsse überspannen, die in der Sonne wie Messer aufblitzen; die abenteuersuchenden Dampfer, die den Horizont wittern; die breitbrüstigen Lokomotiven, die auf den Schienen wie riesige, mit Rohren gezäumte Stahlrosse einherstampfen, und den gleitenden Flug der Flugzeuge, deren Propeller wie eine Fahne im Wind knattert und Beifall zu klatschen scheint wie eine begeisterte Menge.”
Man sieht, auf den 10. Satz, der noch einmal in Kurzform die Erzfeinde des Futurismus in einer kuriosen Runde versammelt, das Antiquarisch-Alte, das Moralische, das Feminine und das Feige, folgt der grandiose Ausblick auf dasjenige, was der Zustimmung und der Aufmerksamkeit der futuristischen Bewegung sicher sein kann, alle umwälzenden Revolutionen nämlich, sofern sie sich über Menschenmassen organisieren, die Großstädte mit ihrem Arsenal an Maschinerie und technischer Infrastruktur, schließlich die Mobilitätsapparate, nach Schnelligkeitsgrad bewertet: Dampfer, Lokomotive und Flugzeug. Dieses Finale legt geradezu die Vermutung nahe, es handele sich hier um eine schlicht im Enthusiasmus überdrehte Begeisterung für alles technisch Neue, Große und Mechanische – kurz: Man mag den Eindruck haben, der Futurismus habe seine Wurzeln im sehr allgemeinen Haß auf alles mehr oder weniger Humanistische oder auch nur Anthropozentrische und in der in die Gegenrichtung weisenden Begeisterung für alles, was über technische Großtaten ein zukünftiges Maschinenzeitalter andeutet.
An dieser kulturkritischen Lesart des Futurismus ist sicher etwas dran, Marinettis sich wiederholende Haßtiraden auf Akademien, Universitäten und vor allem auf die notorisch &Mac226;passatistischen‘, bebrillten und weißhaarigen Professoren, die den Hang zur Vergangenheit inkarnierten, spricht sogar dafür, daß es dem Futurismus zunächst nur darum ging, die akademisch gesteuerte Kultur mit allen Mitteln der sprachlichen Denunziation wegzufegen, um endlich der Entfesselung der wahren Produktivkräfte auch im rückständigen Italien Raum zu geben.
Dabei ist auch zu berücksichtigen – das hat die Motivforschung immer wieder nachgewiesen -, daß die provokante Poetologie eines neuen, energischen und vor Maschinenkraft strotzenden Lebens sich an Vorgaben anlehnen konnte, die in gewisser Weise Gemeingut der Kulturkritik der Jahrhundertwende darstellen.
So hat der frühe Futurismus in Italien durchaus Anteil an einer diffusen Nietzsche-Rezeption, die sich vor allem für die kultursprengende Kraft des dionysischen Moments interessiert. Schon insofern ist Gottfried Benns Unterstellung einer zucht- und stilbildenden Kraft des Futurismus zumindest für dessen Anfänge kaum zu halten. Wenn Marinetti nun in die Klamottenkiste der postnietzeansichen, dionysisch ausgerichteten Kraftmeierei greift, dann verbindet er dies mit zwei weiteren gängigen Topoi der italienischen Literatur der Jahrhundertwende. Zum einen mit der Opposition von “vita” und “forma”, wie sie sich z.B. bei Pirandello dahingehend ausprägte, daß er das komische Sich-Entwinden des unbändigen und vielgestaltigen Lebens aus den Zwängen eines kulturellen Formwillens zu seinem Grundthema machte. Und zum anderen mit dem Konzept des “barbaro”, also des Barbarischen, wie es Gabriele D’Annunzio zunächst auf folkloristische Manier in Erzählungen auf die Bergbevölkerung der Abruzzen projiziert hatte und dann – 1900 – in seinem Roman “Piacere” an das Konzept eines exstatisch die Menschenmassen hyphothisierenden &Mac226;superuomo’ band.
Wenn Marinetti also 1909 in seinem ersten Manifest programmatisch die Opposition von der Zerstörung alles Passatistischen und akademisch Geformten einerseits und der ekstatischen Glorifizierung einer barabarisch um sich greifenden Energie der Masse andererseits aufstellt, dann bewegt er sich in längst vorgezeichneten Bahnen. Allerdings verschiebt er – grob gesprochen – den Pol des Energetisch-Barbarischen, den er mit vielen nietzeanisch beeinflußten Kulturstürmern der Jahrhundertwende teilt, in die Sphäre des Technisch-Maschinenhaften. Diese in der Tat nun spezifische Differenz wird uns später noch genauer interessieren.
Die Radikalität und Aggressivität der futuristischen Programmatik ist im übrigen auch unter dem Gesichtspunkt des Sich-Durchsetzenmüssens am literarischen Markt zu verstehen. Gerade weil Marinetti sich in einem kulturkritischen Feld bewegt, dessen Reizthemen schon durch große Namen besetzt sind, muß er in einem Verdrängungswettbewerb durch Differenzbildung um jeden Preis Profil gewinnen. Deshalb sind seine Abgrenzungen gelegentlich nicht primär in der Sache selbst begründet, sondern eher noch in der strategischen Notwendigkeit, potentielle ideologische Weggefährten regelrecht niederzumachen. Nur so ist das Acharnement zu verstehen, mit dem Marinetti auch auf solche Literaten gnadenlos eindrischt, die ihm eigentlich über gemeinsame ideengeschichtliche Wurzeln nahe sein könnten. Man mag noch einsehen, daß dabei der gesamte französische Symbolismus als ästhetizistische Salonkultur schlecht wegkommt, obwohl der Futurismus den symbolistischen Teil seiner Wurzeln kaum verleugnen kann. Hingewiesen sei nur beispielhaft auf die Poèmes barbares von Leconte de Lisle, 1862 erschienen, denen Marinetti visionäre animalische Embleme wie den Panther und den Jaguar entnommen hat, um sie dann auf die Maschinenfauna von Auto und Jagdbomber zu übertragen. Oder auf Emile Verhaerens Gedichtsammlung Les Villes tentaculaires von 1895, in der die Visionen entfesselter Großstadtsynergien, wie sie später der Futurismus zu entdecken vorgibt, längst präfiguriert sind. Erstaunlicher ist schon, daß Marinetti zu seinem Lieblingsgegnern ausgerechnet D’Annunzio macht, der sich selbst wiederum an der école des symbolistes geschult hatte, nun aber - über einen diffusen Wagnerismus und die Glorifizierung eines nietzeanischen Dionysmus vermittelt – Phantasien einer zukünftigen Herrschaftsrasse entwirft. Unter Rivalitätsgesichtspunkten gesehen leuchtet diese leidenschaftliche Feindschaft schon wieder ein, wenn man sieht, wie beide in den 20er Jahren um die flankierende Stellung bei Mussolini buhlen. Marinetti trifft D’Annunzio in seinen Attacken übrigens zielsicher dort, wo er für seine eigene Anhängerschaft den meisten Applaus zu erwarten hat und wo D’Annunzio trotz gemeinsamer kulturtheoretischer Annahmen sich als hoffnungslos passatistisch erweist, in der Rolle der Sexualität oder besser: in der Bedeutung des erotischen Begehrens nämlich für die Hoffnungsträger des neuen, energetischen und barbarischen Menschentums. Marinetti straft D’Annunzio gerade wegen seiner &Mac226;weichlich‘ genannten Inszenierungen der Wollust mit Verachtung. Dekadent ausgefaltete Sinnlichkeit, auch wenn sie wie beim späteren D’Annunzio ins Heroisch-Erhabene gewendet ist, bildet je geradezu den absoluten Gegenpol zu der asketischen Virilität, wie sie Marinetti dem futuristischen Mann zuschreibt. Sex spielt sich – salopp gesagt – unter dem Vorzeichen des Futurismus in und eigentlich: mit der Maschine ab. Wenn es im futuristischen Text ein Begehren gibt – das will ich gleich noch zeigen – dann eines nach Schnelligkeit und nach schönem Metall.
Ich will noch ein letztes Argument für eine die Provokation relativierende Kontextualisierung vorbringen. Man darf nicht vergessen, daß Marinettis programmatische Visionen gigantischer Machinalotrie ein zivilisatorisches Gefälle ausnutzen, in dem Italien im Gegensatz zum industriell viel weiter entwickelten Frankreich als ländlich geprägtes, wegen der späten Nationenbildung kulturell noch zersplittertes Land dasteht, das in allen technologischen Bereichen rückständig im Sinne Marinettis ist. Marinetti nutzt dieses Gefälle zur tonangebenden Industrie- und Kulurnation bewußt aus: einmal, indem er zwischen 1909 und 1914 viele seiner Texte zunächst in Paris, und dann zeitversetzt in italienischer Sprache in Mailand erscheinen läßt. Schon von daher haftet Marinettis frühen Texten immer schon etwas Maßregelndes und Hinunterschauendes an, ein Effekt, der sich – aus heutiger Sicht gesehen – ganz eigenartig spiegelbildlich im Verhältnis zu den antiakademischen Ausfällen ausmacht, die ja der grundlosen Arroganz der professoralen Diskurse gewidmet sind. Überdies treibt Marinetti dieses zivilisatorische Gefälle noch weiter, indem er in missionarischen Auftritten in diversen italienischen Städten agitatorische Erweckungsarbeit leistet, und zwar je nach dem urbanistisch-modernistischen Entwicklungsstand im Provokationsgrad gestuft.(Vgl. Bild Nr. 11, Plakatankündigung einer “Grande serata futurista” in Rom 1m 9. März 1913)
Überhaupt läßt sich in Marinettis Texten eine regelrechte Städte-Evaluierung feststellen. Dabei überrascht es nicht, daß in diesem Ranking Milano capitale del futurismo‘ als industriell avancierteste Großstadt den Spitzenreiter bildet, während das Schlußlicht erwartungsgemäß dem morbiden Venedig zufällt. In einem legendären “Discorso futurista ai Veneziani”, den Marinetti zusammen mit seinen Freunden Boccioni, Carrà und Russolo unterzeichnet, entladen sich Haßtiraden, die einem Bernhardschen Österreich-Bild gleichkommen. Den Bewohnern Venedigs, der “stinkenden Wunde des Passatismo”, wie es einmal heißt, wird eine vernichtende Rechnung aufgemacht, der nur durch die Transformation des Canal Grande in einen modernen Industriehafen zu enkommen sei. Interessant, wenn auch angesichts der literturgeschichtlichen Topik des Venedigbildes wenig erstaunlich, ist auch, daß es gerade die erotischen Konnotationen der Lagunenstadt sind, an denen sich der Zorn in besonderem Maße entzündet: “Siamo stanchi di avventure erotiche, di lussuria e di nostalgia! (Wir sind es müde, von erotischen, wollüstigen und nostalgischen Abenteuern zu hören) Perché dunque vuoi continuare ad offrirci delle donne velate ad ogno svolto dei tuoi canali? (Warum fährst Du fort, uns immerzu verschleierte Frauen an jeder Kanalecke vor Augen zu führen) Basta! Basta! Finisci di mormorare osceni inviti a tutti i passanti della terra (Es reicht, hör auf damit, obszöne Einladungen allen Passanten ins Ohr zu flüstern!) Venezia, vecchia mezzana curva sotto un pesante scialle di mosaici! (Venedig, Du alte, unter einem Maosaikteppich gekrümmte Kupplerin!)”
Solcherart apodiktische Erniedrigungen passatistischer Städte und Regionen fußen nun noch auf einem sprachlichen Aspekt, den ich als letzten meiner Kontextualisierungsbemühungen anführen möchte. Man darf nicht vergessen, daß die italienische Nationalliteratur seit ihren Anfängen vor einem kapitalen Sprachproblem gestanden hat. In welcher Sprache soll eine national zentrierende Literatur in einem Land geschrieben werden, indem sich soziale Identitäten in erster Linie über dialektale Sprachzugehörigkeiten konstituieren? Zwar ist es de facto das Toskanische, das seit dem 16. Jahrhundert den Sieg in der Rivalität der Dialekte um eine Nationalsprache endgültig davongetragen hat. Aber die Folge ist auch eine recht hoch geschraubte, elaborierte Kunstsprache, die sogenannte “lingua aulica”, die &Mac226;Hofsprache‘, in der sich national ausgerichtete Literatur artikuliert – im Gegensatz zu den parallel weitergeführten dialektalen Literaturtraditionen. Diese rhetorisch gesättigte Sprache ist aber unter dem Vorzeichen der Moderne aus einsichtigen Gründen nicht mehr tragfähig. Avancierte Autoren der Jahrhundertwende wie z.B. Italo Svevo und Luigi Pirandello dekomponieren deshalb sehr bewußt auf unterschiedliche Weise die tradierte “lingua aulica”, um wenigstens in einer gebrochenen und uneleganten Syntax den vielfältigen modernitätsspezifischen Erfahrungen des Disparaten, Halt- und Orientierungslosen Gestalt geben zu können. De facto steht natürlich Marinetti, ohne dies je ausgesprochen zu haben, vor demselben Problem. Mit welchen sprachlichen Mitteln, auf welchem stilistischen Niveau oder gar in welcher regionalen Färbung soll die Programmatik des futuristischen italienischen Menschen ausgesprochen werden? Die poetische Praxis selbst – das werden wir gleich sehen – antwortet auf diese Frage mit einer zerfetzten, ins Graphisch-Visuelle hinein verschobenen Syntax. Die programmatischen Texte aber, also die Manifeste, die sich noch im Vorfeld des Literarischen befinden, sind dagegen ganz offensichtlich in einem traditionellen, wenn auch arg gesteigerten Pathos geschrieben. Das mag uns heute outriert vorkommen; es ist aber de facto der wenig weitsichtige Versuch Marinettis, der Tradition des “stile aulico” wenigstens durch eine Art Überdrehung des Rhetorischen zu entkommen. Manches von dem, was uns aus heutiger Sicht als äußerst gewagt und schockierend in den Formulierungen vorkommt, ist also dem simplen Umstand geschuldet, daß Marinetti eine moderne und zukunftsträchtige italienische Nationalsprache zunächst einmal nur durch eine Art vergewaltigter Literatursprache der Tradition herzustellen vermochte.
Auch wenn man die bisher angeführten Kontextualisierungen im Auge behält, so verfügt der beginnende Futurismus doch noch über ein gerüttelt Maß an Aggressivität, die über die literarische Rhetorik hinausschießt und deshalb kaum plausibel mit Relativierungsversuchen einer historischer Ehrenrettung neutralisiert werden kann. Besonders auffällig wird dies in den berühmt gewordenen Parole in libertà, 1915 kurz nach dem Eintritt Italiens in den Ersten Weltkrieg erschienen. Hier geht es, wie der Titel schon ankündigt, um &Mac226;befreite Worte‘, oder besser: um in die Freiheit entlassene Worte. So heißt es in der Vorrede im Staccato-Ton: “Bisogno furioso di liberare le parole, traendole fuori della prigione del periodo latino”. Aus dem Gefängnis des lateinischen Satzbaus sollen also die Worte in eine Freiheit geführt werden. Die Syntax soll dazu zunächst einmal aus einem subjektzentrierten Status herausgeführt werden. Das sogenannte “technische Manifest” von 1912 hatte ganz zu Beginn auch einen Grund genannt: “Im Flugzeug, auf dem Benzintank, den Kopf erhitzt vom Bauch des Motors, spürte ich die Lächerlichkeit einer aus den Zeiten Homers ererbten Syntax.” Der Kampfflieger ist gleichsam der Ursprungsort, von dem aus syntaktische Strukturen ebenso obsolet werden wie das Festhalten an perspektivischen Fixpunkten im Raum. Das hat zunächst einmal nichts mit der extremen Schnelligkeit zu tun, die man zurecht als den eigentlichen Grund für die futuristische Flugbegeisterung annehmen möchte. Entscheidender für die Auflösung einer analytischen Syntax aus dem Geist der Pilotenkanzel ist der Umstand, daß die Flugbewegung primär nicht als Linie in einem stabilen Koordinatensystem, sondern als eine ekstatische Turbulenz wahrgenommen wird, in der es weder eine klare Beobachter- und Steuerungsposition noch eine perspektivisch verortbare Umgebung gibt. Die Grenzen zwischen Subjekt und Umgebung werden durch Beschleunigungen, Turbulenzen und Entperspektivierungen ebenso eingerissen wie der Konnex zwischen einem steuernden Ich und einer dem Ich gehorchenden Fluglinie. Man kann das gut an Beispielen der futuristischen Malerei aufzeigen, die sich oft und gerne dem Flugmotiv zugewandt hat. Besonders aussagekräftig ist hier vielleicht das Bild “Vortice della vita” (Wirbel des Lebens) von Giacomo Balla, 1929 gemalt (Abb. 6).
Ganz offensichtlich ist der semantische Gegenstand des Bildes, die Bewegung des Wirbels, von dem behauptet wird, er sei dem Leben eigen, einer Flugbewegung nachempfunden. Der Bildaufbau modelliert einen Strudel in einer abstrakt bleibenden Materie, bei dem die eigentliche Dreh- und Schaubbewegung durch flugähnliche Spitzen angedeutet wird. So wird eine visuelle Dynamik erzeugt, in der es außer dem internen Fluchtpunkt, d.h. dem Zielpunkt der Wirbelbewegung, keine Parameter für ein stabiles Koordiantensystem, vor allem aber keine Wahrnehmungsperspektive mehr gibt. Ganz analog will Marinetti mit der Syntax seiner Texte verfahren. So heißt es in dem Essay “Distruzione della sintassi” von 1913: “Immer auf der Suche danach, die größtmögliche Menge von Vibrazionen und die tiefstgreifende Synthese des Lebens zu produzieren, reißen wir alle stilistischen Bindemittel und alle glänzenden Spangen, mit denen die traditionellen Dichter die Bilder in ihren Satzbau einbauen, heraus.” Der eigentliche Zielpunkt dieser Entsytagmatisierung ist dabei die Zerschlagung einer subjektgebundenen Perspektive: “Distruggere nella letteratura l’io” (Das Ich in der Literatur zerstören) heißt es einmal martialisch. An die Stelle einer subjektgebunden Textorganistation soll die Dynamik der Materie selbst treten. Überhaupt wird der Text nicht mehr als ein anthropozentrisch ausgerichtetes, linear lesbares Zeichengebilde aufgefaßt, sondern als eine Art Abenteuerspielplatz,in dem sich der Dekodierungsprozeß wie eine mit Synkopen, scharfen Wendungen, Brems- und Beschleunigungsmanöver skandierte Bahnfahrt darstellt. Besondere Konsequenzen hat dieser Textbegriff für die Bewertung der Wortkategorie des Adjektivs. Traditionellerweise, d.h. in einer dem Lateinischen entlehnten Syntax, stellt das Adjektiv als Epitheton für eine qualitative Zuordnung dar, mit der Sprechende ein Nomen mit einer Eigenschaft spezifiziert. Dagegen soll der futuristische Text, so Marinetti, die Adjektive von der Zuordnung zum Substantiv lösen und sie wie Eisenbahnsignale, Straßenampeln, Warnzeichen, Leuchttürme usw. benutzen, die die Dynamik der Lektüre so steuern, wie es die im Text organisierte Materie erfordert. Entsprechend sind natürlich auch finite Verbformen mega-out. Sie tragen ja – bildlich gesprochen – eine bestimmte Bewegungsart in eine temporale und soziale Matrix ein, was der futuristischen Vorstellung eines dem Leben analogen turbulenten Eigenlebens des Textes kaum entspricht. Interessanterweise begnügt sich Marinetti bei der Apotheose der infiniten Verbform keineswegs mit dem Hinweis, daß der Infinitiv die Bewegung “an sich” als reine und ungebundene Form von Dynamik anzeigen kann. In seiner technozentrischen Metaphorik weist er die infiniten Verbformen vielmehr als die Räder aus, die – wie in der Funktions der Wagonräder der Eisenbahn – pure und beliebig maximierbare Schnelligkeit ermöglichen.
Zwei Prinzipien forcieren dabei noch die dynamistische Vorstellung, die Marinetti vom futuristischen Text entwickelt, der onomatopoetische Einsatz von Wörtern und die typografische Gestaltung. Onomatopoetische Prinzipien dienen seit alters her dazu, eine besondere präsenzsimulierende Leistung des sprachlichen Zeichens zu suggerieren. Indem man die kulturell kodierte Willkürlichkeit des sprachlichen Zeichens in bezug auf seine Bedeutung überlagert mit einer phonetischen Motivation, wirkt das Gemeinte so, als wäre es unmittelbar präsent. Bei Marinetti geht diese Funktion aber noch viel weiter. Er stellt onomatopoetische Wirkungen mindestens gleichberechtigt neben die kulturell kodierten semantischen Bedeutungen. Darin zeigt sich ein aufschlußreiches Mißtrauen gegen die Schrift. Denn es ist ja gerade die – lautlose - Schrift, die seit ihrer kodifizierenden Funktionalisierung im jüdisch-christlichen Kulturraum für sich in Anspruch nimmt, Wahrheiten im Kontinuum eines Tradionsgefüges auf Dauer zu stellen und den Kontingenzen der mündlichen Äußerungen zu entziehen. Das Schriftzeichen reichert sich in diesem Sinne auch durch historisch sich wandelnde semantische Einlagerungen an. Entsprechend ist das schriftzentrierte Wort in sich ein Mikrokosmos mit jeweils eigener historischer Tiefendimension, das die traditionellen Poeten gezielt ausnutzen. Erwartbarerweise erhält Mallarmé an diesem Punkt der futuristischen Argumentation eine besonders harte Tracht Prügel. Seine Suche nach einem komplexen “mot rare”, das wie eine Preziose eine Vielzahl intertextueller Verküpfungen in den eigenen Text einspeist, hält Marinetti für eine Ästhetik der Dekoration und der Girlanden. Marinetti will dagegen die Schrift nur noch als szenographische Partitur für einen prinzipiell sinnlich hörbaren Text verstanden wissen. Das futuristisch gute Wort ist, wenn ich das einmal parodistisch ausdrücken darf, immer an einen hörbaren Knalleffekt gebunden. Das hat weitreichende mediale Konsequenzen. Denn trotz der offensichtlichen Anlehnung des idealen futuristischen Textes an die graphisch-visuelle Dimension des Bildes handelt es doch eigentlich um eine primär mündlich wirkende Kunst. Nicht zufällig hat der Futurismus denn auch die Institution des Reziationsabends gepflegt, bei dem fremde und eigene Texte regelrecht theatralisch inszeniert und mit piktoralen und musikalischen Begleitungen gemixt wurden. Daß diese Rezitationsabende oft genug in Krawallen endeten, gehörte verständlicherweise mit zur Strategie eines Überschießenlassens der Kunst in die Sphäre des sozialen Lebens.
Auch das zweite von mir genannte Prinzip, die typographische Revolution, zielt paradoxerweise zumindest partiell auf eine Oralisierung des Textes. Bei der Benutzung verschiedener Drucktypen und dem Aufbrechen des linearen, leseorientierten Zeichenaufbaus geht es weniger um eine Visualisierung einer Buchstabenkunst, die vielleicht mit Hintersinnigkeiten, Ironien und semantischen Subtilitäten die traditionelle Textsemantik unterminieren oder erweitern könnte. Vielmehr geht es Marinetti darum, die Textoberfläche als eine Art Partitur zu gestalten, in der kein konsekutives, lesendes Verstehen mehr möglich ist, wohl aber ein gleichsam nachsprechende Rekonstruieren des Geschehens, das sich im Text Ausdruck verschafft. So behauptet Marinetti, daß er – wozu es freilich nie gelangt hat – bis zu 20 verschiedene typographische Schriften und mindestens vier Farben verwenden wolle, um unterschiedliche Schnelligkeits- und Intensitätsgrade der bezeichnete Sache anzuzeigen.
Es versteht sich von selbst, daß diese Programmatik nur unvollständig in der poetischen Praxis umgesetzt wird. Um aber wenigstens an einem Beispiel eine Vorstellung von der Praxis der &Mac226;entfesselten Worte‘ geben, wollen wir uns die Abb. 5 kurz vornehmen und ansatzweise analysieren. Es handelt sich, wie auf Anhieb deutlich wird, um eine Kampfszene zu Beginn des Eintritts Italiens in der Ersten Weltkrieg. Ort der Handlung ist die Gegend um Riva di Trento, westlich des Etschtals in Richtung Gardasee. Begrenzt wird der Ort durch die beiden Bergmassive Monte Creino und Monte Biaene, die den Schauplatz eines im Hintergrund bleibenden Artillerie-Gefechts zwischen Österreichern und Italienern bilden. Protagonsten der Handlung sind – abgesehen von den Kanonenexplosionen – ein italienischer Spähtrupp, darunter – so kann man aus einer Namensnennung schließen – Marinetti und der Freund und futuristische Maler Boccioni. Die Dialoge, die um einen Nahkamf zwischen Österreichischen Schützengräben kreisen, sind eingebettet in verschieden dimensionierte Schußgeräusche, von denen schon das ins Auge fallende RAMEEEEE-RIROOOOO-klop eine strukturbildende Funktion hat. Daß es sich um die Detonation von Granaten handelt, ist eigentlich nur über den durch das lautmalerische Knallen hindurchschauenden semantischen Restbestend erschließbar: &Mac226;La rame‘ ist das Kupfer, aus dem bekanntlich die meisten der Granaten des Ersten Weltkriegs gefertigt waren. Von einem gewissen Reiz ist vielleicht noch die gegenläufige Bewegung, die sich zwischen der ersten Zeile, einer Serie lautlos gegen Ende hin eskalierender X-Laute, und der fünften Zeile, dem lautmalerisch nachgeahmten Artilleriegeschoß, bildet. Während diese akustische Linie in dem vergleichweise dezenten dumpfen Einschlag des Geschosses mündet (das trockene: KLOP), zeigt die zeitgleiche Explosion der stillen, nicht aussprechbaren X-Linie das Telos des Todes an. Akustischer Höhepunkt der Textseite ist aber, wenn man so will, der in der Seitenmitte graphisch parallelisierte Austausch unterschiedlicher Gefechtssalven, wobei die eingestreuten, geradezu syntaktisch untergeordneten nicht-onomatopoetischen Zeichen, also die konventionell benutzten Wörter, als blitzartig vorbeihuschende Gedankensplitter der Soldaten verstanden werden können. Sie sind – den Umständen entsprechend – weitgehend entsyntagmalisiert.
Ich will es bei meinen Verstehensversuchen bei diesen dürftigen Hinweisen belassen. Es dürfte trotzdem klar geworden sein, daß es in der Tat vor allem das Kriegsgeschehen ist, was sich in geradezu kongenialer Weise für eine futuristische Vertextung im Sinne Marinettis eignet. Andere Beispiele aus “Parole in libertà” hätten weitere, aber nicht prinzipiell andersartige Schlacht- und Kampfszenarien vor Augen, oder besser: vor Ohren geführt. So nimmt es denn auch nicht wunder, daß einem nahen Mitstreiter Marinettis, dem Maler, Graphiker und Autor Carlo Dalmazzo Carrà, der Krieg und der Futurismus so eng ineinander verflochten schien, daß er 1914, zu Zwecke propangandistischer Mobilmachung, eine graphisch gestaltete “Futuristische Synthese des Krieges” veröffentlichte (Abb. 3) In diesem Schema wird der Futurismus zur ideologischen Speerspitze erklärt, mit der die fortschrittlichen Staaten (und darunter bald auch Italien) der germanischen Welt ihre passatistischen Unwerte austreiben werden. Das Projektil des Futurismus (und natürlich der Grande Guerra) beeinhaltet alle Tugenden, die der Futurismus je für sich reklamiert hat, während Österreich und Deutschland in geradezu niedlicher Manier für alle unfuturistischen Untugenden herhalten müssen.
(Hörbeispiel: Marinetti liest selbst in einer Séance einen Text aus dem Kriegspoem Zang Tumb Tuuum aus dem Jahr 1914; der Text hat seinen Hintergrund in dem türkisch-bulgarischen Feldzug, den Marinetti 1912 als Berichterstatter miterlebt hat. Im Mittelpunkt dieses Textes steht die Schlacht um Adrianapoli)
(Hinweis evtl. auch auf Abb. 2 [Gino Severini: Versuch einer Darstellung des Krieges, 1915], in der eigentümlicherweise der Krieg noch in einer heroischen Verkleidung dargestellt wird [Schnelligkeit])
2. (Geschwindigkeit, Maschine, Sexualität)
“Bisogna perseguitare, frustare, torturare tutti coloro che peccano contro la velocità” (Man sollte diejenigen, die gegen das Gebot der Schnelligkeit sündigen, verfolgen, auspeitschen und quälen) – so heißt es 1916 in dem Manifest “La nuova religione-morale dela velocità”. Schnelligkeit und mehr noch: die beliebig steigerbare Beschleunigung von Bewegung bildet die innere Achse des futuristischen Wertsystems. Auch dies ist ein Merkmal, das zumindest sehr affin zur modernen Kriegsführung ist; denn in der neuzeitlichen Materialschlacht, in der der soldatische Kampf nichts, das Aufeinanderprallen großer Quantitäten von Waffensystemen dagegen alles zählt, gibt es nur einen Faktor, mit dem man die Trägheit des zerstörenden Materials noch überlisten kann, und das ist die Zeit. Schnelle und schnellste Geschoßtechniken, größtmögliche Mobilität der Fahrzeuge, aber auch rapide Datenübertragung per Telegraph und Telephon sichern den Sieg, wenn er über die pure materiale Superiorität nicht zu haben ist. Marinetti, der übrigens auch vom telegraphischen Schnellstil militärischer Botschaften fasziniert ist, überträgt diese kriegsbedingte Entdeckung des Faktors Beschleunigung freilich auch auf andere, um nicht zu sagen auf alle Lebensbereiche. So heißt es 1912 im “Manifesto tecnico della letteratura futurista”: “Die Welt schrumpft durch die Geschwindigkeit zusammen. Neues Weltgefühl. Will sagen: die Menschen haben nacheinander das Gefühl für das Haus, das Gefühl für das Stadtviertel, das Gefühl für die Stadt, das Gefühl für die geographische Zone, das Gefühl für den Kontinent erworben. Heute besitzen sie das Gefühl für die Welt. Es hat wenig Sinn zu wissen, was ihre Vorfahren taten, aber sie müssen wissen, was ihre Zeitgenossen in allen Teilen der Erde tun [...]. Das menschliche Gefühl nimmt gigantische Ausmaße an, es besteht die dringende Notwendigkeit, jeden Augenblick unsere Beziehungen zur ganzen Menschheit zu bestimmen.”
Mit einem Seitenhieb auf alles historische Wissen, das als entbehrlich ausgewiesen wird, stellt Marinetti eine bestürzend weitsichtig klingende Forderung auf: Jeder soll durch die modernen Bewegungs- und Informationssysteme dazu gebracht werden können, daß man in Annäherung der Echtzeit fast zeitgleich über das Tun weit entfernter Menschen informiert ist, sei es durch Selbstbewegung des eigenen Körpers dorthin, wo man nicht ist, sei es durch Übertragung von Daten von daher, wo man gerade nicht sein kann. Zeit wird hier nicht mehr als evolutionäre oder historisch verbindende Dimension, sondern als zu eliminierender Störfaktor eines Vernetzungsbegehrens verstanden. Zeit ist das, was es - der Tendenz nach – einzuschmelzen gilt. Die futuristischste Zeit ist deshalb, wenn man so will, die Nicht-Zeit, die Gleich-Zeitigkeit alles Gegenwärtigen, oder mit einer anderen, dem Futurismus lieb gewordenen Formel ausgedrückt: die Simultaneität. In einem anderen Text heißt es dazu: “Die hohe Geschwindigkeit eines Automobils oder eines Flugzeugs erlaubt, verschiedene weit voneinander entfernte Punkte auf der Erde rasch zu erfassen und zu vergleichen, mit anderen Worten: mechanisch die Arbeit der Analogie zu verrichten. Wer viel reist, erwirbt auf mechanische Weise Geist, nähert durch systematische Betrachtung und Vergleich die entfernten Dinge einander an und entdeckt ihre geheime Affinität. Eine große Geschwindigkeit ist eine artifizielle Reproduktion der analogischen Inuition des Künstlers. Drahtlose Allgegenwart der Einbildungskraft = Geschwindigkeit. Schöpferisches Genie = Geschwindigkeit.” Interessanterweise benutzt Marinetti hier ein barockes, concettistisches Modell des Künstlers, demgemäß die genialische Fähigkeit des Poeten darin besteht, über blitzartige Analogiebezüge zwischen den Dingen und zwischen den Worten eine regelrechte Weltstruktur entstehen zu lassen. So wie nun in der Vision des schöpferischen Poeten durch dessen blitzartige Koordinierungen des scheinbar Heterogenen eine Gleichzeitigkeit der Dinge in der statischen Analogie entsteht, so ziehen die modernen Kommunikationsmedien verschiedenste Räume in eine zeitlose Allgegenwart hinein.
Solange nun Simultaneität von Ereignissen oder Handlungsorten nicht herzustellen ist, solange also die Transformation der historisch denkenden Welt in einen Apparat des zeitgleichen Wissens und Bewußtseins der Menschen nicht gelingt, solange muß die zweitbeste Zeitqualität als die Meßlatte bilden: und das ist die Schnelligkeit, konkreter: die Beschleunigungsfähigkeit von Zeit- und Ortrelationen. Dazu allerdings braucht man wiederum Maschinen, also Telegraphen, Rennautos, Schnellzuglokomotiven; Flugzeuge. Die kindliche anmutende Begeisterung des Futurismus für diese Mobilitätsbeschleuniger muß ich hier vielleicht nicht an Beispielen zu belegen. Sie ergibt sich direkt und ungebrochen aus der uneigeschränkten Lust an der katapultierenden Bewegung des Körpers im Raum. Nur ein Besipiel unter vielen möglichen: “Welche Lust, allein im dunklen Fond eines Wagens zu sein, der durch die hüpfenden Eislichter einer nächtlichen Großstadt saust: ganz spezielle Lust, sich als schnellen Körper zu empfinden. Ich pflege oft zwischen zwei Eilzügen am Bahnhof zu essen; mein Blut springt von der Uhr an der Wand zum dampfenden Teller; die Spirale aus Angst und Erinnerung dreht sich ins Herz. Es muß sofort mit Geschwindigkeit gestärkt werden.”
Aufschlußreicher als die zahlreichen lustvollen Hymnen auf Bahngleis, Gaspedal, 12-Zylinder und Steuerknüppel ist vielleicht der Umstand, daß die Elogen, mit denen der Maschinenpark des neuen Jahrhunderts begrüßt werden, gelegentlich einen scheinbaren Nebenaspekt der Schnelligkeit wieder in den Vordergrund rücken. Es ist das Kollabieren der Beschleunigung im Crash, die latente destruktive Energie, die in dem Augenblick die Oberhand gewinnt, wo die Geschwindigkeit sich als Faktor der Zeit durch die Kollision mit anderen Zeitvektoren im Raum überhaupt wieder spürbar macht. Es gibt eine geradezu enthusiastische Beschreibung eines Autounfalls, den Marinetti literarisch zumindest plausibel literarisch imaginiert; aber es gibt auch viele andere Texte, in denen der Glanz der schnellen Maschine gerade in der Katàstrophe seiner Zerstörung literarisch eingefangen wird.
Nur aus Gründen der schnelleren Darstellbarkeit dieses Phänomens möchte ich die Lust an der Destruktion der schönen Maschine an einem Beispiel der darstellenden Kunst erläutern, in dem es nun nicht um Schnelligkeit, sondern um Effizienz und mechanische Elegenanz geht. Es ist das Ölgemälde Macchinismo babelico von Fortunato Depero aus dem Jahr 1930 (Abb. 9). Wie in vielen anderen motivgleichen Bildern steht hier das Unheimliche, aber auch die Faszination einer unüberschaubaren Maschinenwelt im Vordergrund. Parallele, gewinkelte, gebogene und gerundete Formen mechanischer Einzelteile bilden hier ein Stilleben, dessen Hintergründigkeit sich erst durch den handgeschriebenen Untertitel (rechts unten) erschließt: Dort steht, was der überlieferte Bildtitel vom babylonischen Maschinismus euphemistisch verschweigt, der erklärende Zusatz nämlich: “Grattacieli, tubi, gallerie terremotate” – also: Wolkenkratzer, Röhren und Bogengänge, durch ein Erdbeben zum Einsturz gebracht. Schaut man näher hin, so sieht man tatsächlich ineinandergeschobene, funktional inkompatible Formen; aber sie bilden im Bildaufbau keineswegs ein Chaos. Vielmehr fügen sie sich paradoxerweise zu einem symmetrischen Gebilde mit einer zentralen Achse, einem mittig sichtbaren Schwerpunkt und sternförmig sich nach außen abbauenden Formen zusammen. Wenn man so will, handelt es sich um ein modernes Idyll, dem auf eigentümlich barocke Weise ein Telos der genuinen Zerstörtheit eingeschrieben ist: die Schönheit der im Zusammenbruch sich ästhetisch noch fügenden Technik.
Die Faszination, die für den Futurismus von der Maschine ausgeht, wäre allerdings nur halb so aufschlußreich für die menschheitsgeschichtliche Selbsteinschätzung, wenn mit dieser Orientierung nicht auch die Vorstellung einer Art anthropologischer Mutation verbunden wäre, die weitreichende Konsequenzen hat. Der Futurismus inszeniert nämlich die Maschine nicht allein als ein Objekt erotischer Begierde des Mannes, was unter der Rubrik einer kollektiven virilen Fetischisierung leicht abzuhaken wäre: Er treibt vielmehr dieses männliche Begehren des Stahls auch in eine Neukonfigurierung der Geschlechtlichkeit hinein, die – ähnlich wie bei der Zerstörung der Zeit durch Beschleunigung – die geschlechtliche Differenz in einer Kontiguität von männlichem Körper und stählerner Maschine aufheben will. In dem Text “Der multiplizierte Mensch und das Reich der Maschine” ist zunächst einmal treuherzig von der Verschiebung der Erotik in die Mann-Maschine-Relation die Rede: “ Habt ihr nie einen Lokomotivführer beobachtet, wie er liebevoll den großen und mächtigen Körper seiner Lokomotive wäscht? Es sind die präzisen und wissenden Zärtlichkeiten eines Liebhabers, der die angebete Frau liebkost.” Man mag solche und ähnliche Formulierungen noch unter dem Signum einer Provokation der topisch-erotischen Salonliteratur verstehen. Aber Sätze wie die folgenden verstehen sich durchaus als weltgeschichtlich-antizipatorische und haben keinerlei rhetorischen Charakter: “Man begegnet heute Menschen, die in schöner, stahlfarbener Stimmung beinahe ohne Liebe durchs Leben schreiten. Sorgen wir dafür, daß die Zahl dieser exemplarischen Menschen stetig zunehme. Anstatt abends eine süße Geliebte aufzusuchen, lieben es die energischen Wesen, morgens mit liebender Sorgfalt dem perfekten Betriebsbeginn in ihrer Werkstatt beizuwohnen”.
Man wäre vielleicht auf Anhieb geneigt, solche und ähnliche Sätze als selbstparodistisch oder als ironische Bloßlegungen bürgerlicher Tugenden der Sublimierung von Lust in Arbeit aufzufassen. Nichts aber wäre verkehrter; schon das völlige Fehlen einer protestantischen Arbeitsethik in Italien würde derartige Ironien schwer verständlich machen. Tatsächlich ist das futuristische Oeuvre durchzogen von einer ganzen Serie durchaus ernstgemeinter Polemiken gegen alles überkommen Erotische, sofern es nicht – wie gesagt – in ein viriles Begehren der schnellen Maschine umgeformt wird. In der Tat geht die aggressive Desexualisierung des futuristischen Menschen vor allem auf Kosten der Frau, oder besser: auf Kosten des Bildes der Frau, die nicht nur in einer auf die Spitze getriebenen maskulinen Sicht der Geschlechtlichkeit von der Maschine ersetzt wird. Sie wird – entsprechend dieser Logik – als Inkarnation des Geschlechtlichen überhaupt dem passatistischen Kultursystem zugeschlagen. Man mag in dieser aggressiven Abwehr der Sexualiät und der Frau als (so gesehener Inkarnation des Geschlechtlichen) eine narzißtische Projektion des maskulinen Wunschkörpers auf dessen mechanisches Analogon sehen. Der futuristische Mann denkt sich gleichsam als eine Proto-Maschine, die sich in der wirklichen mechanischen Maschine noch einmal spiegelt. So ist es auch kein Zufall daß der Zeugungsaspekt der Sexualität dem futuristischen Denken eine horrende Vorstellung ist. In dem Roman Mafarka-futurista von 1910, in dem Marinetti die schwülstige Geschichte eines mythologisch konstruierten afrikanischen Kämpfers entfaltet, taucht denn auch mehrmals die Vision einer zeugungslosen Geburt, die Vorstellung der männlich-maschinellen Selbstreproduktion auf. Die entsprechenden Stellen, in denen verschiedene Mythen der menschlichen Selbstschöpfung mit Frankenstein- und Prometheusmotiven kombiniert und mit nietzeanisch-dionysischen Gewürzen angereeichert werden, möchte ich Ihnen – und mir – gerne ersparen.
Schließen möchte ich meine – vielleicht etwas launisch gehaltene – Einführung in den Futurismus mit einem Aspekt, der Ihnen vielleicht tröstlich erscheint: Es gab auch eine weibliche Stimme im Futurismus; aber es wird Sie nicht erstaunen, wenn sie heute wahrscheinlich nicht mehr überzeugen kann: Valentine de Saint-Point hat 1914 im Futuristischen Manifest der Frau Marinettis programmatische Verachtung der Frau für einen femininen Futurismus gerettet, indem sie eine neue, weiterführende Opposition einführt: Nicht Frauen und Männer gäbe es in der sozialen Wirklichkeit, sondern “Weibheit” und “Mannheit”, und zwar in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen. Die moderne Vorstellung der sozialen Konstruktion des Geschlechts als einer konventionellen, aber eben auch steuerbaren Identititätsfindung jenseits der Biologie ist hier durchaus im Ansatz vorhanden. Gleichwohl wird es Sie nicht verwundern, wenn die Wunschvorstellungen von der futuristischen Frau letztlich komplementäre Spiegelbilder des futuristischen Mannes sind, in denen nun männliche Markierungen die Oberhand gewonnen haben: wild, grausam, kämpferisch soll sie sein, sich auf die gebärende und aufopfernde Kraft besinnen. Sie sehen: Auch hier – bei diesem Text – hält sich die Freude des Lesers in Grenzen.




FUTURISMUS
Italien und die Moderne, 1909-1944

MARINETTI UND DIE ERSTEN FUTURISTISCHEN KÜNSTLER


Am 20. Februar 1909 verhilft Marinetti mit der Veröffentlichung des Manifests des Futurismus dem Futurismus zum Start. Bald trifft er mit Boccioni, Carrà und Russolo zusammen, die in Mailand arbeiten. Zur gleichen Zeit hält sich Severini in Paris auf. Der langjährige Freund Boccionis wird von diesem 1910 zur Unterzeichnung des Manifests der futuristischen Maler aufgefordert. Russolo, der in erster Linie in der Musik Karriere machen wird, und Balla, der ab 1903 Boccioni und Severini Malerei unterrichtet, sind weitere Mitunterzeichner. Die starke Persönlichkeit eines jeden dieser Künstler leistet ihren Beitrag zu den verschiedenen Facetten des Futurismus.

Der italienische Schriftsteller Filippo Tommaso Marinetti gelangt durch die Veröffentlichung des Manifests des Futurismus zu Berühmtheit. Als eigentlicher Anführer der Futuristen stellt er die Theorie einer grundlegend modernen Ästhetik auf, die auf der Schnellebigkeit und dem Krieg beruht. Sein Einfluss macht sich als erstes in der Literatur bemerkbar, deren Syntax, Zeichensetzung und Typographie er mit der Einführung des Konzepts des «freien Wortes» (parola libera) revolutioniert. Aber auch in der bildenden Kunst, im Theater, im Tanz und in der Musik bewirkt er tiefgreifende Veränderungen. Als Sympathisant des Faschismus der ersten Stunde findet er in dieser Ideologie den Nährstoff für seine eigenen Thesen und seine nationalistische Gesinnung.

Giacomo Balla ist der älteste futuristische Maler. Seine frühfuturistische Periode ist vom Divisionismus Seurats beeinflusst, und erst 1912 schliesst er sich wirklich der neuen Kunstrichtung an. In seinen Bildern löst er die Bewegung auf, analysiert die mutmassliche Geschwindigkeit eines Automobils und wendet sich bald der Abstraktion zu. In den zwanziger Jahren wechselt sein Stil, der geometrische Formen bevorzugt, zwischen abstrakten Konstruktionen und Gegenständlichkeit ab.

Carlo Carrà ist während fünf Jahren eines der aktivsten Mitglieder der Gruppe und schreibt regelmässig Artikel für die Zeitschrift Lacerba. Wie in seinem Bild Décompositions de verre (Auflösungen eines Glases) zum Ausdruck kommt, ist sein Werk besonders vom Kubismus beeinflusst. Sein Engagement für den Futurismus ist von nur kurzer Dauer, da er sich bereits 1916 Giorgio de Chirico anschliesst und mit ihm zusammen die«metaphysische Malerei» begründet.

Umberto Boccioni stellt den Futurismus in den Dienst des Dynamismus von Mensch und Tier (Dynamisme de cheval ó Dynamismus des Pferdes). Er ist wie Carrá stark vom Kubismus beeinflusst. Als Bildhauer unterzeichnet er 1912 das Technische Manifest der futuristischen Bildhauerkunst. Ab 1913 schreibt er für Lacerba, und 1914 veröffentlicht er Pittura-Scultura futurista, den wichtigsten theoretischen Beitrag der Bewegung. Nach seiner Rückkehr an die Front stirbt er 1916 an den Folgen eines Sturzes vom Pferd.

Gino Severini lässt sich 1906 in Paris nieder. Er wird von Balla in den Divisionismus Seurats eingeführt und gibt in seinen Pariser Alltagsszenen der Farbe den Vorzug. 1911 nähert er sich der futuristischen Ästhetik an, 1912 übernimmt er bei der dem Futurismus gewidmeten Ausstellung der Galerie Bernheim Jeune eine Mittlerrolle zwischen den französischen und italienischen Künstlern. Ab 1916 orientiert er sich am Kubismus von Georges Braque und Juan Gris.

Luigi Russolo stammt aus dem Musikmilieu. Nachdem er sich 1910 den Futuristen angeschlossen hatte, veröffentlicht er 1913 Die Kunst der Geräusche und vernachlässigt die Malerei zugunsten der Tonkunst. Ab 1923 beginnt er eine Serie «rumorarmoni» (eine Art Harmonium mit tiefen Tonlagen) zu bauen, auf denen er auch Konzerte gibt. Erst spät wendet er sich in den vierziger Jahren wieder der Malerei zu.



Filippo Tommaso Marinetti: Manifest des Futurismus
erschienen in: Le Figaro, Paris, 20. Februar 1909

1.Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen, die Vertrautheit mit Energie und Verwegenheit.
2.Mut, Kühnheit und Auflehnung werden die Wesenselemente unserer Dichtung sein.
3.Bis heute hat die Literatur die gedankenschwere Unbeweglichkeit, die Ekstase und den Schlaf gepriesen. Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag.
4. Wir erklären, daß sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen . .. ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.
5. Wir wollen den Mann besingen, der das Steuer hält, dessen Idealachse die Erde durchquert, die selbst auf ihrer Bahn dahinjagt.
6. Der Dichter muß sich glühend, glanzvoll und freigebig verschwenden, um die leidenschaftliche Inbrunst der Urelemente zu vermehren.
7. Schönheit gibt es nur noch im Kampf. Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein. Die Dichtung muß aufgefaßt werden als ein heftiger Angriff auf die unbekannten Kräfte, um sie zu zwingen, sich vor dem Menschen zu beugen.
8. Wir stehen auf dem äußersten Vorgebirge der Jahrhunderte! ... Warum sollten wir zurückblicken, wenn wir die geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufbrechen wollen? Zeit und Raum sind gestern gestorben. Wir leben bereits im Absoluten, denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.
9. Wir wollen den Krieg verherrlichen — diese einzige Hygiene der Welt -, den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.
10. Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und gegen jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.
11. Wir werden die großen Menschenmengen besingen, die die Arbeit, das Vergnügen oder der Aufruhr erregt; besingen werden wir die vielfarbige, vielstimmige Flut der Revolutionen in den modernen Hauptstädten; besingen werden wir die nächtliche, vibrierende Glut der Arsenale und Werften, die von grellen elektrischen Monden erleuchtet werden; die gefräßigen Bahnhöfe, die rauchende Schlangen verzehren; die Fabriken, die mit ihren sich hochwindenden Rauchfäden an den Wolken hängen; die Brücken, die wie gigantische Athleten Flüsse überspannen, die in der Sonne wie Messer aufblitzen; die abenteuersuchenden Dampfer, die den Horizont wittern; die breitbrüstigen Lokomotiven, die auf den Schienen wie riesige, mit Rohren gezäumte Stahlrosse einherstampfen, und den gleitenden Flug der Flugzeuge, deren Propeller wie eine Fahne im Winde knattert und Beifall zu klatschen scheint wie eine begeisterte Menge.

Von Italien aus schleudern wir unser Manifest voll mitreißender und zündender Heftigkeit in die Welt, mit dem wir heute den Futurismus gründen, denn wir wollen dieses Land von dem Krebsgeschwür der Professoren, Archäologen, Fremdenführer und Antiquare befreien.

Schon zu lange ist Italien ein Markt von Trödlern. Wir wollen es von den unzähligen Museen befreien, die es wie zahllose Friedhöfe über und über bedecken.

Museen; Friedhöfe! . .. Wahrlich identisch in dem unheilvollen Durcheinander von vielen Körpern, die einander nicht kennen. Museen: öffentliche Schlafsäle, in denen man für immer neben verhaßten oder unbekannten Wesen schläft! Museen: absurde Schlachthöfe der Maler und Bildhauer, die sich gegenseitig wild mit Farben und Linien entlang der umkämpften Ausstellungswände abschlachten!

Einmal im Jahr mögt ihr dahin pilgern, wie man zu Allerseelen auf den Friedhof geht . . . das gestatte ich euch. Einmal im Jahr mögt ihr einen Blumenstrauß vor der Mona Lisa niederlegen, . . . das gestatte ich euch . . . Aber ich lasse nicht zu, daß man täglich in den Museen unser kümmerliches Dasein, unseren gebrechlichen Mut und unsere krankhafte Unruhe spazieren führt. Warum will man sich vergiften? Warum will man verfaulen?
Und was kann man auf einem alten Bilde schon anderes sehen als die mühseligen Verrenkungen des Künstlers, der sich abmühte, die unüberwindbaren Schranken zu durchbrechen, die sich seinem Wunsch entgegenstellen, seinen Traum voll und ganz zu verwirklichen? . . . Ein altes Bild bewundern, heißt, unsere Sensibilität in eine Aschenurne schütten, anstatt sie weit und kräftig ausstrahlen zu lassen in Schöpfung und Tat.

Wollt ihr denn eure besten Kräfte in dieser ewigen und unnützen Bewunderung der Vergangenheit vergeuden, aus der ihr schließlich erschöpft, ärmer undgeschlagen hervorgehen werdet?

Wahrlich, ich erkläre euch, daß der tägliche Besuch von Museen, Bibliotheken und Akademien (diesen Friedhöfen vergeblicher Anstrengungen, diesen Kalvarienbergen gekreuzigter Träume, diesen Registern gebrochenen Schwunges) für die Künstler ebenso schädlich ist wie eine zu lange Vormundschaft der Eltern für manche Jünglinge, die ihr Genie und ihr ehrgeiziger Wille trunken machen. Für die Sterbenden, für die Kranken, für die Gefangenen mag das angehen: — die bewundernswürdige Vergangenheit ist vielleicht ein Balsam für ihre Leiden, da ihnen die Zukunft versperrt ist ... Aber wir wollen von der Vergangenheit nichts wissen, wir jungen und starken Futuristen!

Mögen also die lustigen Brandstifter mit ihren verkohlten Fingern kommen! Hier! Da sind sie! ... Drauf! Legt Feuer an die Regale der Bibliotheken! . .. Leitet den Lauf der Kanäle ab, um die Museen zu überschwemmen! ... Oh, welche Freude, auf dem Wasser die alten, ruhmreichen Bilder zerfetzt und entfärbt treiben zu sehen! ... Ergreift die Spitzhacken, die Äxte und die Hämmer und reißt nieder, reißt ohne Erbarmen die ehrwürdigen Städte nieder!

Die Ältesten von uns sind jetzt dreißig Jahre alt; es bleibt uns also mindestens ein Jahrzehnt, um unser Werk zu vollbringen. Wenn wir vierzig sind, mögen andere, jüngere und tüchtigere Männer uns ruhig wie nutzlose Manuskripte in den Papierkorb werfen. Wir wünschen es so!

Unsere Nachfolger werden uns entgegentreten; von weither werden sie kommen, von allen Seiten, sie werden auf dem beflügelten Rhythmus ihrer ersten Gesänge tanzen, ihre gebogenen Raubvögelkrallen werden sie ausstrecken, und an den Türen der Akademien werden sie wie Hunde den guten Geruch unseres verwesenden Geistes wittern, der bereits den Katakomben der Bibliotheken geweiht ist.

Aber wir werden nicht da sein! . . . Sie werden uns schließlich finden - in einer Winternacht - auf offenem Feld, unter einem traurigen Hangar, auf den ein eintöniger Regen trommelt, sie werden uns neben unseren Flugzeugen hocken sehen, zitternd und bemüht sein, uns an dem kümmerlichen kleinen Feuer zu wärmen, das unsere Bücher von heute geben, die unter dem Flug unserer Bilder auflodern. Sie werden uns alle lärmend umringen, vor Angst und Bosheit keuchend, und werden sich, durch unsere stolze, unermüdliche Kühnheit erbittert, auf uns stürzen, um uns zu töten, und der Haß, der sie treibt, wird unversöhnlich sein, weil ihre Herzen voll von Liebe und Bewunderung für uns sind.

Die starke und gesunde Ungerechtigkeit wird hell aus ihren Augen strahlen. Denn Kunst kann nur Heftigkeit, Grausamkeit und Ungerechtigkeit sein. Die Ältesten von uns sind dreißig Jahre alt: trotzdem haben wir bereits Schätze verschleudert, tausend Schätze an Kraft, Liebe, Kühnheit, List und rauhem Willen; ungeduldig haben wir sie weggeworfen, in Hast, ohne zu zählen, ohne je zu zögern, ohne uns je auszuruhen, ohne Atem zu schöpfen ... Schaut uns an! Noch sind wir nicht außer Atem! Unsere Herzen kennen noch keine Müdigkeit, denn Feuer, Haß und Geschwindigkeit nähren sie! ... Das wundert euch? . . . Das ist logisch, denn ihr erinnert euch ja nicht einmal daran, gelebt zu haben! Aufrecht auf dem Gipfel der Welt, schleudern wir noch einmal unsere Herausforderung den Sternen zu!

Ihr macht Einwendungen? . . . Genug! Genug! Die kennen wir . . . Wir haben begriffen! ... Unsere schöne, verlogene Intelligenz sagt uns, daß wir der Abschluß und der Neubeginn unserer Ahnen sind. - Vielleicht! ... Es sei! ... Was schadet es denn? Wir wollen nichts begreifen! . . . Wehe dem, der uns diese infamen Worte noch einmal sagt! . .. Kopf hoch! . . .

Aufrecht auf dem Gipfel der Welt schleudern wir noch einmal unsere Herausforderung den Sternen zu! ...


Filippo Tommaso Marinetti: Die drahtlose Einbildungskraft (1913)

"Der Futurismus gründet sich auf die vollständige Erneuerung der menschlichen Sensibilität als Folge der großen Entdeckungen [...] Diejenigen, welche heutzutage Dinge benutzen wie Telephon, Grammophon, Eisenbahn, Fahrrad, Motorrad, Ozeandampfer, Luftschiff, Flugzeug, Kinematograph und große Tageszeitungen, denken nicht daran, daß diese verschiedenen Kommunikations-, Verkehrs- und Informationsformen auch entscheidenden Einfluß auf ihre Psyche ausüben."





Luigi Russolo

geboren am 7. Mai 1885 in Portogruaro, entwickelte zwar schon früh musikalische Neigungen (sein Vater war Organist, zwei Brüder studierten Musik), doch entschied er sich nach seiner Schulzeit für die Malerei. 1909 stieß er über den Freund Umberto Boccioni zur futuristischen Bewegung und gehörte 1910 zu den Unterzeichnern des »Manifesto dei pittori futuristi« [Manifest der futuristischen Maler] und des »Manifesto tecnico della pittura futurista« [Technisches Manifest der futuristischen Malerei]. Bald jedoch gewann das musikalische Talent die Oberhand; angeregt von den gedanklichen Entwürfen Francesco Balilla Pratellas, lancierte Russolo selbst ein musikalisches Manifest, L'arte dei rumori [Die Geräuschkunst, 1913], und widmete sich nun hauptsächlich der Musik. Im selben Jahr konstruierte er mit Ugo Piatti mehrere geräuschproduzierende Maschinen, sogenannte Intonarumori (Geräuschtöner) und schrieb für die neuen Instrumente einige Kompositionen, die am 21. April 1914 in Mailand im ersten öffentlichen Konzert eines Intonarumori-Orchesters zur Aufführung gelangten. Weitere Konzerte folgten (u. a. in London). 1915 meldete sich Russolo als Kriegsfreiwilliger und wurde zwei Jahre darauf schwer verwundet.

Nach dem Krieg trat Russolo nur selten mit eigenen Kompositionen (oder, an deren Stelle, mit Improvisationen) in Erscheinung, arbeitete jedoch fleißig an der Weiterentwicklung der Intonarumori (die Aufsehen erregenden Konzerte im Juni 1921 in Paris wurden mit Werken anderer Komponisten bestritten) und an der Konstruktion neuer Instrumente. In den 20er-Jahren löste sich die futuristische Bewegung allmählich auf; es wurde stiller um Luigi Russolo, der seine Enttäuschung über die mangelnde Anerkennung immer deutlicher zum Ausdruck brachte. Nachdem er vor Mussolinis Machtergreifung in die nationalistischen und militaristischen Hochrufe mit eingestimmt hatte, war ihm der faschistische Staat enttäuschter Hoffnungen wegen bald entfremdet.

Seit 1927 lebte er überwiegend in Frankreich (in und bei Paris), 1932-33 in Spanien (Taragona), wo er mit der Schrift L'enarmonismo [Die Enharmonik] seinen musikalischen Aktivitäten ein Ende setzte und sich für kurze Zeit ausführlich mit Yoga, mit magnetischer Fernheilung und ähnlichen Phänomenen beschäftigte. - 1933 kehrte er nach Italien zurück, ließ sich in Cerro di Laveno am Lago Maggiore nieder und arbeitete an einem philosophischen Werk (Al di là della materia, 1938). In seinen letzten Lebensjahren nahm er die lange vernachlässigte malerische Tätigkeit wieder auf und widmete sich schließlich nochmals einem musikalisch-technischen Projekt, der Konstruktion eines mikrotonalen Klaviers. Russolo konnte es nicht mehr vollenden; er starb am 4. Februar 1947 in Cerro di Laveno.