Gerhard Buchinger

Spiele in der Transaktionsanalyse


Die Transaktionsanalyse, die zu den humanistischen Psychotherapien gezählt wird, besticht vor allem durch ihre Klarheit. Sie bietet eine Reihe von Modellen zur Erkennung intra- und interpsychischer Störungen. Dieser Artikel beschreibt Spiele (Berne 1967, 1964) und will ein Verständnis für die Wichtigkeit dieses Modells im therapeutischen Alltag schaffen.

Unter einem Spiel werden Serien verdeckter Transaktionen mit einem vorhersagbaren Ende verstanden. Spiele sind regelhafte Kommunikationsmuster. Sie lassen sich durch eine Spielformel beschreiben. In der mathematischen Spieltheorie ist es Ziel, bei Regelspielen Wahrscheinlichkeiten und regelhafte Zusammenhänge im Entscheidungsverhalten von Menschen zu bestimmen (Hennig, Pelz, 1997). Das heißt, daß Spiele genauen Mustern folgen, die Menschen ihrem Skript entsprechend schaffen. Während Berne versuchte, bestimmte typische Spiele zu benennen (Hilfe Vergewaltigung, Schlemihl, etc.), hat über die Jahre der Ansatz der Prozeßanalyse von Spielen an Bedeutung gewonnen. Es gilt also nicht mehr, ein typisches Spiel zu erkennen und zu identifizieren, sondern vielmehr, die Dynamik von Verhaltenssequenzen und den dazugehörigen Spielcharakter (Titel, Rollen, Ziel, Dynamik, Muster, typische Schritte, Spielgewinn und Lösungen) zu erkennen. Aus eigener Erfahrung scheint die Prozeßanalyse eine universellere Anwendung zu haben.

Eine weitere immer wieder auftretende Frage bei Spielen ist, ob es "gute" und "schlechte" Spiele gibt. Berne lenkte die Aufmerksamkeit auf das skriptgebundene Verhalten und damit auf die Seite der Verlierer, meinte daher in späteren Jahren, es gebe Verlierer- oder bestenfalls Nicht-Verlierer-Spiele. Hennig/Pelz (1997) erweitern diese Überlegungen dahin, daß es sinnvoll erscheint, auch Gewinner-Spielen einen Ort in der Transaktionsanalyse zu geben und verstehen unter Gewinner-Spielen solche, wo alle Mitspieler im Umgang miteinander profitieren. Sie ziehen die existentiellen Grundeinstellungen heran. Demnach finden sich in "ich bin o.k. - du bist o.k." - Positionen Gewinner-Spiele.

Aus eigener Erfahrung zeigte sich in der Arbeit mit Klienten, daß die Erklärung des Spiele-Modells sehr sinnvoll ist, immer wieder allerdings die Frage auftauchte, ob es nicht auch "positive" oder "gute" Spiele gebe. Ich schließe mich dem Ansatz von Hennig/Pelz an, aus therapeutischer Sicht werden allerdings vermehrt "negative" Spiele Thema der Auseinandersetzung sein.


Charakteristika von Spielen

Spiele lassen sich durch eine Anzahl von Eigenschaften charakterisieren. Sie sind ein häufig angewendetes Muster zur Gestaltung der Zeit. Berne unterscheidet 6 Arten der Gestaltung der Zeit: Rückzug, Rituale, Zeitvertreib, Aktivitäten, Spiele und Intimität.

Spiele laufen immer wieder gleich ab und haben eine Wiederholungstendenz; jeder Mensch hat bevorzugte Spiele und spielt diese immer wieder durch. Oft nehmen sich Menschen vor, das nächste Mal ein anderes Verhalten an den Tag zu legen und wiederholen doch ihr Verhaltensmuster.

Beim Spiel bleibt das Erwachsenen-Ich ausgeschaltet, am Ende eines Spieles erleben die Spieler Maschen- (d.s. unechte oder Ersatzgefühle, Rackets) Gefühle und fragen sich oft, warum ihnen das schon wieder passiert ist.

Spiele sind durch eine Folge von verdeckten Transaktionen zwischen den Spielern gekennzeichnet - auf der verdeckten, psychologischen Ebene läuft etwas anderes ab als auf der offenen, sozialen Ebene. Dieses Phänomen wird auch mit dem Gleichnis von "T-Shirts" beschrieben, wo auf der Vorderseite die Botschaft der sozialen Ebene steht (etwa: "Hilf mir!"), aber auf der Rückseite die Botschaft der psychologischen Ebene ("Du kannst mir nicht helfen!", "Niemand kann mir helfen!"). Der zweite Spieler hätte in diesem Beispiel auf der Vorderseite die Botschaft "Ich helfe gerne!" und auf der Hinterseite "Dir kann man ja nicht helfen!".In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, ob es einen Spieler und einen Mitspieler oder zwei Spieler gibt. Ich bin der Auffassung, daß die Version des Spielers und des Mitspielers die Gefahr in sich birgt, von einem Beginner und einem, der dann in das Spiel einsteigt, auszugehen, meine daher, daß es sich immer um zwei ebenbürtige Spieler handelt. So reduziert sich die Gefahr einer Schuldzuschreibung, die an sich wieder ein Spiel darstellt. Es ist mir wichtig, anzumerken, daß der Ansatz von ebenbürtigen Spielern bei Mißhandlungen und Mißbrauch mit Kindern nicht anwendbar ist und ich in diesem Fall auch nicht von einem Spiel spreche. Was später einmal "Hilfe, Vergewaltigung!" heißt, war nicht immer ein Spiel, ab wann von einem Spiel gesprochen werden kann, kann Inhalt weiterer Überlegungen sein.

Spiele dienen in erster Linie dazu, das Lebensskript voranzutreiben. Menschen streben nach einem Standpunkt, nach einer Grundhaltung (Steiner, 1974). Grundpositionen entstehen und erhärten sich durch interne Transaktionen im Kopf des Spielers zwischen ihm und einer anderen Person, in der Regel einer Eltern-Person.

Immer, wenn jemand ein Spiel beginnt, ist er im Skript, wobei hier anzumerken ist, daß dies nicht immer negative Konsequenzen haben muß. Sehr bewußt wird zwischen Spiel und Manipulation unterschieden. Ein Spiel läuft immer unbewußt ab, während eine Manipulation bewußt funktioniert. Wenn jemand bewußt sagt, er sei so arm, dann kann dies als Manipulation verstanden werden. Hier drängt sich allerdings die Überlegung auf, warum jemand dies bewußt einsetzt - diese Form der Interaktion hat nichts mit erwachsenem Verhalten, weder mit Autonomie zu tun und es kann hier aus meiner Sicht der Übergang von bewußter Manipulation zu einem unbewußten Spiel als fließend betrachtet werden. Ein gutes Beispiel von Manipulation sind Politiker, die sich gut auf die unterschiedlichsten Menschen einstellen können, dieses Verhalten aber beliebig austauschbar ist.

Teile der Situation im Hier und Jetzt (Erwachsenen-Ich) werden negiert und es kommen vergangene Ereignisse ins Spiel. Diese vergangenen Ereignisse sind Erfahrungen, die eine wesentliche Auswirkung auf das Lebensskript und die dazugehörigen Skriptentscheidungen gehabt haben. Oft geht es in der konkreten Situation gar nicht um die Kommunikation oder Begegnung mit dem Gegenüber, sondern vielmehr um die Wiederholung einer alten Situation. Die Personen, die an einem Spiel teilnehmen, sind "Opfer" einer Übertragung. Meist geht die Übertragung von beiden (oder mehreren) Spielern aus.

Ein weiteres Charakteristikum von Spielen ist dort zu finden, wo der Therapeut/Beobachter selbst merkt, daß sich im Kommunikationsablauf etwas ändert und er sich bemüßigt fühlt, in eine der drei klassischen Rollen des Drama-Dreiecks (s.u.) zu steigen. Spiele haben fast immer eine körperliche Auswirkung. Dies läßt sich relativ einfach dadurch erklären, daß beim Beginn von Spielen das Erwachsenen-Ich nicht mehr besetzt ist und sich ein Ich-Zustands-Wechsel vollzieht.

Spiele sind eine Folge verdeckter Transaktionen. Während auf der offenen, sozialen Ebene Transaktionen auf der Erwachsenen-Ich-Ebene ablaufen, sind die verdeckten psychologischen Transaktionen vornehmlich auf der Eltern-Kind-Ebene. Ein Spielende ist dann erreicht, wenn eine oder beide Personen die verdeckte Ebene der Kommunikation sichtbar werden lassen.

Weiters bezeichnend ist, daß Spiele den Spielern vertraut sind. So spielen Menschen ganz bestimmte Spiele und diese immer wieder. Sie tun dies so lange, bis sie ihre wahren Bedürfnisse erkennen und befriedigen können.
Wie aus der Spielformel ersichtlich, haben Spiele ein Überraschungsmoment. Dabei kommt es zu einem unerwarteten Wechsel des Kommunikationsverlaufs, genau dann, wenn nicht mehr die Botschaft auf der sozialen Ebene zum Tragen kommt, sondern die Botschaft auf der verdeckten psychologischen Ebene.

Die meisten Spiele haben ein vorhersagbares Ende (Nutzeffekt) in schlechten Gefühlen. Diese schlechten Gefühle sind "unecht" (Maschengefühle, Ersatz-gefühle), d.h., sie dienen dazu, ein echtes, verbotenes dahinterliegendes Gefühl nicht aufkommen zu lassen. Das dahinterliegende Gefühl darf deswegen nicht aufkommen, weil das Kind einmal die bittere Erfahrung gemacht hat, daß dieses Gefühl zu Verletzungen und Kränkungen führt, bzw. nicht erkannt wird und von den Eltern oder Bezugspersonen nicht befriedigt werden kann. Im Laufe eines therapeutischen Prozesses wird es auch darum gehen, nicht irgendwo Schuld zu suchen, sondern die Dynamik eines Spieles, in diesem Fall die Dynamik, die hinter unechten Gefühlen liegt, herauszufinden. Es geht nicht darum, warum ein Kind nicht gelernt hat, seine wirklichen Gefühle und Bedürfnisse zu äußern, sondern daß es das nicht gelernt hat. Im Zusammenhang mit unechten Gefühlen kommt es häufig zum Sammeln von "Rabattmarken", d.h., daß gezielt auf die Endauszahlung hingearbeitet wird, etwa jemand soviel arbeitet, bis er keiner seiner Aufgaben mehr nachkommen kann, usf.

Indem Spiele zwar keine echten, aber doch vermeintlich gute und mit Sicherheit verfügbare (Maschen)- Gefühle bringen, bestätigen sie den Lebensglaubenssatz (Grundposition) und die Skriptentscheidungen "mir kann doch keiner helfen" oder "die anderen lassen sich ja eh nicht helfen" oder "keiner liebt mich" oder ...).


Spielformel

Nach Berne (1983) laufen Spiele eine Folge von sechs Phasen durch. In der Spielformel werden diese sechs Phasen beschrieben:

Trick / Falle (1) + wunder Punkt / Mitspielinteresse (2) = harmlose Reaktionen / Gespräch (3) ‘ Rollen / Wechsel (4) ‘ Verwirrung (5) ‘ Auszahlung des Spielgewinnes / Nutzeffekt (6)

Im Folgenden wird zwischen Spieler und Mitspieler unterschieden. Grund dafür ist das bessere Verständnis. In Wirklichkeit gibt es zwei oder mehrere Spieler, auch der Spielbeginn ist eher relativ zu betrachten. Es ist nie eine Person, die an einem Spielbeginn Schuld trägt (s.o.).

Ein Spiel beginnt mit einer Falle. Jemand behauptet etwas und wartet, ob das Gegenüber darauf antwortet. Nicht jeder Mensch reagiert auf diese "Falle", nur solche, die mitspielen wollen, deren Skript gut zum Skript des Spielbeginners paßt. Es gibt Sinn, anzunehmen, daß beide Spieler ein ähnliches Skript haben, womöglich eine ähnliche Abwehr. Sie nehmen im Spiel allerdings unterschiedliche Rollen ein (s. Karpman, 1968, Drama-Dreieck).

Wenn nun "Trick"/ "Falle" erwidert werden, so wird dies mit dem Mitspielinteresse angedeutet. Das kann entweder die Bereitschaft zu helfen sein, oder Kritik zu äußern, oder auch sich zu unterwerfen, oder vieles mehr. Gründe, mitzuspielen, sind Elternbotschaften. Dieser Zeitpunkt ist insofern bedeutend, als ab jetzt das Spiel unbewußt abläuft und ein Ausstieg relativ schwer möglich ist. Ab jetzt "läuft" das Spiel.

Der Spieler gibt in einem Helferspiel auf der sozialen Ebene zu verstehen, daß er Hilfe benötigt, auf der psychologischen Ebene würde er sagen, daß er sich nicht helfen läßt. Der Mitspieler bekundet auf der sozialen Ebene sein Interesse, auf der psychologischen Ebene weiß er, daß sich das Gegenüber gar nicht helfen läßt.

Die Reaktionen bestehen aus einer Reihe von Transaktionen, die sich über einen gewissen Zeitraum hinziehen. Auf der sozialen Ebene sieht dies wie ein Informationsaustausch aus, auf der psychologischen Ebene sind dies ständige Wiederholungen von Spielangeboten und der Bekundung des Mitspielinteresses.

Wenn es nun keine weiteren Spielangebote bzw. Mitspielreaktionen mehr gibt, den Spielern auch Nichts mehr einfällt, dann kommt es zum Rollen-Wechsel. Ein Spieler könnte jetzt sagen: "Sie wollten mir wenigstens helfen - danke schön!", der Mitspieler könnte sagen "Es tut mir leid, aber ich kann ihnen nicht helfen." Dieser Rollenwechsel beendet die "Reaktionen" und führt zu Verwirrung. Im gleichen Moment "kassieren" beide Spieler ihre Auszahlung. Empörung kann sich breit machen, der Spieler kann verärgert über den Mitspieler sein und meinen, "daß es eine Frechheit ist, daß ihm nicht geholfen werden kann", der Mitspieler könnte meinen, daß "so einem Menschen sowieso nicht geholfen werden kann".

Ein Spiel in der klassischen Form ist nach der Auszahlung, die eine Skriptverstärkung bedeutet, beendet. Es kann jetzt ein neues Spiel, das wiederum das Skript bestätigt, beginnen.


Spielanalyse-Möglichkeiten

Spiele lassen sich auf mehrere Arten erkennen. Da es sich bei Spielen um ein wiederkehrendes Muster handelt, lassen sie sich durch die Spielformel erkennen. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die Transaktionen aufzuzeigen und zu analysieren. Auch können die typischen Rollen im Drama-Dreieck zugeordnet werden. Eine weitere Möglichkeit bietet das Symbiosemodell der Transaktionaanlyse, wo die wahren Bedürfnisse und Defizite in den einzelnen Ich-Zuständen aufgezeigt werden können und sich so die Dynamik des Spiels erklären läßt.


Intensität von Spielen

Spiele unterscheiden sich in der Intensität. Mit zunehmender Intensität von Spielen nimmt die Bewußtheit ab und die Divergenz von sozialer und psychologischer Ebene zu. In der Transaktionsanalyse wurde eine Einteilung nach drei Graden gefunden, die sinnvoll ist, es könnte sich allerdings auch ein Kontinuum anbieten.

Spiele ersten Grades sind eher harmlos und werden in der Öffentlichkeit gespielt. Dazu gehören etwa Einladungen, einmal in ein Kaffeehaus zu gehen, wobei der Spielanteil das Kaffeehaus und die verdeckte Botschaft der Wunsch nach einem schönen Beisammensein sind. Wie Berne meint, liefern Spiele ersten Grades einen großen Teil der Zeitstrukturierung bei Parties und Gesellschaften.

Spiele zweiten Grades sind durch eine Geheimhaltungstendenz charakterisiert. Als Beispiel soll wieder die menschliche Nähe dienen. Hier können Paare, die länger zusammen sind und ihre Probleme nicht mehr adäquat lösen können, Unterstützung bei anderen suchen anstatt das Problem gemeinsam zu lösen, vielleicht neue Beziehungen beginnen, etc.
Spiele zweiten Grades sind nicht mehr unbedenklich, aber noch nicht lebensbedrohend. Weitere Beispiele könnten sein, immer mit dem Auto mit überhöhter Geschwindigkeit zu fahren, eine ungesunde Ernährung zu wählen, wenig Bewegung zu machen, als Therapeut nicht auf ausreichende Psychohygiene und genügend Erholung zu achten, etc.
Spiele zweiten Grades können auch dadurch charakterisiert werden, daß es vor allem von der Dauer des Spielens abhängt, wie gefährlich die Sache wird. Viele therapeutische Interventionen dürften höchstwahrscheinlich bei Spielen zweiten Grades ansetzen. Spiele ersten Grades fallen wenig auf und erzeugen keinen Leidensdruck. Spiele dritten Grades sind im Gegensatz dazu so massiv, daß eine Therapie kaum freiwillig aufgesucht wird, die Lebensbedrohung meist sehr hoch und bereits ein Setting vonnöten ist, welches über den üblichen therapeutisch-ambulanten Betreuungsrahmen hinausgeht. Wie beim Skript zwischen einem banalen und einem tragischen unterschieden wird, so würde ein Skript, das zu Spielen zweiten Grades anregt, ungefähr zwischen banalem und tragischem Skript liegen.

Spiele dritten Grades enden nach Berne entweder im Gefängnis, in der Psychiatrie oder am Friedhof. Hier seien Mißhandlungen, Mißbrauch, Selbst- und Fremdgefährdungen (die Diagnose selbstverletzendes Verhalten findet in der Literatur vermehrt Aufmerksamkeit) durch verschiedenste Tätigkeiten, wie zu schnelles Autofahren, Extremsport, Ehestreit, schwierige Scheidungen, schwere Erkrankungen, Selbstmordversuche, Suchterkrankungen und ähnliches mehr zu nennen.

Bei Spielen dritten Grades ist es von größter Wichtigkeit, jene frühen Skriptentscheidungen und hier vor allem die Bann-Botschaften (Goulding & Goulding, 1972) bzw. die Arten des Abwertens (Discounten) und Leugnens (Mellor & Sigmund, 1975) des jeweiligen Klienten genau zu kennen. Spiele dritten Grades sind Ausdruck sehr negativer Skriptbotschaften und -entscheidungen. Spiele dritten Grades können über Jahre hinweg laufen, bis es zur Endauszahlung in Form des Todes oder einer folgenschweren Verletzung kommt.

Spiele dritten Grades können gut "getarnt" sein und erfordern vom Therapeuten ein ständiges Hinterfragen seiner Interventionen und des Übertragungs- und Gegenübertragungsphänomens. Spiele dritten Grades bringen den Therapeuten in eine sehr schwierige Position, denn es kommt in diesen Arbeitsbereichen immer wieder zur "Endauszahlung" in Form eines Suizids, des "goldenen Schusses", des schwersten aller bereits vorangegangenen Herzinfarktes, der Sportverletzung, die letal endet, usf. Spiele dritten Grades können sehr plump aussehen, ich bin eher der Auffassung, daß sie sehr gekonnt inszeniert werden. Die dahinterliegende Problematik kann eine tiefe Kränkung des Kindes sein, das beschlossen hat, woanders, im Jenseits Genugtuung zu suchen, Frieden zu finden, etc. Die Dynamik kann so stark sein, daß der Klient immer wieder versucht, den Therapeuten von seiner Version einer besseren Welt zu überzeugen. Das menschliche Verständnis wird hier geprüft und kann es in diesem Zusammenhang zu Aussagen der Hilflosigkeit kommen, es sei nicht anders gegangen, es sei besser gewesen so. Ich meine, daß es gilt, Leben zu erhalten und auch wichtig ist, einen Lebenszyklus zu akzeptieren und daß ein allzu frühes Scheiden aus dem Leben in den meisten Fällen ein Hinweis auf ein tragisches Skript mit den dazugehörigen Spielen ist.

In der Therapie ist es hier vor allem wichtig, erst einmal einen Zugang zum Klienten zu bekommen und bei ihm ansatzweise eine Enttrübung des Erwachsenen-Ich zu erreichen. Es bietet sich durchaus die Überlegung an, daß mit zunehmender Intensität von Spielen die Abwehr steigt. Die therapeutische Arbeit setzt also am Aufbau der Beziehung und am Aufweichen der Abwehr an. Transaktionen zu allen drei Ich-Zuständen sind wichtig. Das Kindheits-Ich braucht Nährung und Zuspruch. Ich bin der Auffassung, daß eine Therapie, die nicht auch auf das Kindheits-Ich zielt, nutzlos ist. Das Erwachsenen-Ich muß besetzt sein, um dem Klienten Verantwortung zu geben und beim Eltern-Ich gilt es, die positiven Anteile zu stärken.

Ich habe der Intensität von Spielen deswegen mehr Wichtigkeit beigemessen, weil dies ein hartes Kriterium in der Therapie ist, d.h., es ist für den Therapeuten sehr schnell erfaßbar, bzw. aus dem Verhalten heraus schließbar, wo der Klient steht.


Rollen und das Drama-Dreieck

In einem Spiel gibt es einige klassische Rollen. Karpman (1968) hat diese im Drama-Dreieck beschrieben.


Karpman meint, daß immer, wenn Menschen Spiele spielen, jeder eine von drei skriptgebundenen Rollen besetzt: Verfolger, Retter oder Opfer. In der Diskussion wurde von Clarkson (1993) die Rolle des Bystanders oder des Schaulustigen hinzugefügt. Die Idee des Bystanders geht auf Alan Jacobs zurück.

Alle drei Rollen bringen eine Abwertung (discount) mit sich, sie sind skriptgebunden, Verfolger und Retter discounten andere, das Opfer sich selbst. Der Verfolger setzt anderen zu, setzt sie herab, die anderen stehen leicht unter ihm und sind nicht o.k., für den Retter sind die anderen auch nicht o.k., stehen etwas unter ihm, er bietet aber aus der überlegenen Position heraus Hilfe an. Das Opfer, das "Objekt des übermächtigen Geschehens", sucht sich Verfolger oder Retter unter dem Motto: "Ich komme allein nicht zurecht."

Alle drei Rollen sind unecht. Wenn Menschen sich so verhalten, reagieren sie auf die Vergangenheit und nicht im Hier und Jetzt. Sie setzen alte, skriptgebundene Strategien ein, die sie schon als Kinder beschlossen hatten.

Die Spieler können im Verlaufe eines Spieles alle drei Rollen einnehmen. Der Helfer, der nicht mehr kann, kann leicht zum Opfer werden - oder umgekehrt - wird das Opfer stark, so kann der Retter / Helfer zum Verfolger werden. Während Opfer- und Helferrollen weitgehend bekannt sind, ist die Rolle des Besserwissers eine typische Verfolgerrolle. Der Unterschied zwischen einer im Erwachsenen-Ich nachvollziehbaren und verständlich geäußerten Kritik und der zerstörerischen Kritik eines Verfolgers wird im Spiel deutlich.


Warum spielen Menschen Spiele?

Sie sind eine vertraute Form der Zeitgestaltung. Vertrautes bringt Sicherheit und erhöht somit die Wahrscheinlichkeit des Wiedereintretens. Sie sind auch eine vertaute Form, um Zuwendung / "strokes" zu bitten. Zuwendung ist wichtig. So ist nur verständlich, wenn Menschen auf diese (sichere) Art versuchen, das zu erreichen. Da es sich bei Spielen um unechte bzw. Maschengefühle handelt, kann von intensiver Zuwendung ohne Ablehnungsrisiko ausgegangen werden. Die Personen bekommen zwar nicht die intensive Zuwendung, die sie wirklich benötigen, aber sie bekommen eine. Spiele machen Menschen berechenbar. Kontakt zwischen zwei erwachsenen Menschen kann sehr intensiv uns schön sein. Jeder Mensch übernimmt in der Auseinandersetzung mit jemand anderem ein hohes Maß an Verantwortung, sei es in einem kurzen Kontakt oder in einer langandauernden Beziehung. Sich jemandem gegenüber zu öffnen, bedeutet auch, daß unvorhergesehene Dinge geschehen können. Es ist also unmöglich, von einer berechenbaren Situation auszugehen. Das ist bei Spielen anders.

Da das Erwachsenen-Ich ausgeschaltet ist, übernehmen die Spieler keine Erwachsenen-Ich Verantwortung. Sie meinen, die anderen seien für die schlechten Gefühle verantwortlich. Dies ist zumeist weniger schmerzvoll und gibt vermeintlich mehr Sicherheit, als selbst die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und damit auch Veränderungen anzustreben. Spiele treiben das Lebensskript voran und bestätigen so die Skriptentscheidungen ("ich habe ja doch recht..."), sie sind ein Beweis für die Lebenseinstellung, den Bezugsrahmen und die Skriptüberzeugungen.


Umgang mit Spielen

Das Wichtigste im Umgang mit Spielen ist deren Erkennung. Erst wenn der Therapeut weiß, daß es sich um ein Spiel handelt, kann er eine Intervention setzen. Dazu ist es wichtig, zu wissen, nach welchen Regeln es abläuft, wozu der Klient es spielt. Hinter jedem Spiel liegt ein wahres Bedürfnis. Es gilt, im therapeutischen Prozeß herauszuarbeiten, wie dieses Bedürfnis aussieht und was der Klient zur Befriedigung dieses Bedürfnisses tun kann.

In einem Spiel treten unechte / Maschengefühle auf. Eine Möglichkeit, aus einem Spiel auszusteigen ist die, die echten Gefühle zu beachten, zu Intimität überzugehen.

Da Spiele eine wichtige Möglichkeit darstellen, zu Zuwendung zu kommen und dies einer der Hauptgründe für Spiele ist, ist es wichtig, auf ausreichende echte Zuwendung / Strokes für das Kindheits-Ich zu achten.

Eine Möglichkeit ist es, die Eröffnungsfalle (Trick / Falle, s. Spielformel, etwa: "ich bin so arm, ...") zu erkennen und sie anzusprechen, d.h. eine Antwort aus dem Erwachsenen-Ich zu geben. Bei Spielen geringer Intensität und bei Klienten mit geringen Störungen ist das durchaus möglich, sind Intensität und Störung allerdings hoch, dann ist es nicht immer möglich, so zu intervenieren, da das Erwachsenen-Ich solcher Klienten häufig nur wenig ist.

Spiele sind immer von Abwertungen / Discounts begleitet. Es ist daher wichtig, diese zu erkennen (s.a. Mellor & Sigmund, 1975). Da die Auszahlung am Ende des Spieles ein wichtiger Teil desselben ist, scheint es indiziert, auf die negative Auszahlung nach dem Spiel bewußt zu verzichten (etwa: "ich will nicht krank werden...", "ich will diese Kränkung nicht annehmen...", "ich werde diese Arbeit, für die ich viel bezahlt bekomme, aber die mich zugrunderichtet, nicht machen...").

Berne meint, daß Intimität das wichtigste Ziel ist, das die meisten von uns anstreben und Spiele als die wesentlichste Methode, mit der Menschen die Angst und das Risiko, ja sogar die mögliche Befriedigung unserer frühesten und dringendsten Liebesbedingungen vermeiden. Es ist

Da das Modell der Spiele in der Transaktionsanalyse gut beschrieben ist und auch schlüssig scheint, bieten sich einige Möglichkeiten des Ausstieges. Auffallend bei Spielen ist, daß es meist keine Handlungsalternative ("es gibt nur diese eine Möglichkeit und das muß sofort geschehen!") gibt. Es ist daher wichtig, nach alternativen Lösungen zu suchen.

Da die drei Rollen im Drama-Dreieck skriptgebunden sind, sind meist die negativen Ich-Teile besetzt. Es ist daher sinnvoll, in den positiven Teil zu wecheseln und genau zu prüfen, wo eine Unterstützung notwendig ist und wo sie von Nachteil für den Klienten ist. Bei erkannter Spieleinladung kann auch das Durchkreuzen der erwarteten Reaktion ein Spiel beenden. Sinnvoll erscheint es natürlich auch, das Drama-Dreieck zu verlassen.

Das Konzept der Spiele ist ein wirksames Hilfsmittel in der therapeutischen Arbeit. Bei schweren Störungen ist es wichtig, mit den Spielen des Klienten behutsam umzugehen, da es sich meist um Spiele dritten Grades handelt, die einen gefährlichen Ausgang haben. Gerade hier sind Psychohygiene des Therapeuten und Eigenanalyse von großer Wichtigkeit. Das Schaffen einer Beziehung, die Arbeit mit Verträgen und ein klares Setting wirken sehr unterstützend.

Um als Therapeut mit einer spielintensiven Situation umgehen zu können, ist eine ständige Selbstreflexion notwendig. Die umgangssprachlich "blinde Flecken" genannten unaufgearbeiteten Anteile der eigenen Persönlichkeit hindern den Therapeuten daran, Spiele zu erkennen und therapeutisch daran zu arbeiten. Eigenanalyse, Supervision und Intervision können hier wesentlich dazu beitragen, die jeweilige Situation aufzuhellen. Wenn der Therapeut seine eigene Psychohygiene ernst nimmt, dann wird er mit dem Modell der Spiele fruchtbringend arbeiten können.


Literatur

Berne, E. 1964, 1967. Spiele der Erwachsenen, Reinbeck bei Hamburg: Rowohlt.

Berne, E. 1983. Was sagen Sie, nachdem Sie Guten Tag gesagt haben?, Frankfurt am Main: Fischer.

Clarkson, P. 1993. Bystander Games, TAJ, 23, 3, 158 - 172.

Clarkson, P. 1996. Transaktionsanalytische Psychotherapie. Freiburg, basel und Wien: Herder.

Goulding, R. & Goulding, M. 1972. New directions in transactional analysis, in: Progress i group and family therapy, herausg. von Sager und Kaplan, New York, 105 - 134.

Hennig, G. & Pelz, G. 1997. Transaktionsanalyse - Lehrbuch für therapie und Beratung. Freiburg, Basel, Wien: Herder.

Karpman, S.B. 1968. Script Drama Analysis. In: Transactional Analysis Bulletin 7,26, 39-43.

Mellor, K. & Sigmund, E. 1975, Discounting, TAJ, 5,3,295-302.

Steiner, C. 1974, 1982. Wie man Lebenspläne verändert. München: Deutscher Taschenbuch Verlag.

Stewart, I. & Joines, V. 1990. Die Transaktionsanalyse - Eine neue Einführung in die TA. Freiburg, Basel, Wien: Herder.


Dr. Gerhard Buchinger, Transaktionsanalytischer Psychotherapeut, Lehrtherapeut in Ausbildung unter Supervision, arbeitet vor allem mit Kindern, Jugendlichen und jungen Menschen