Gerhard Buchinger Team und Macht (1999) Team und Macht sind zwei Begriffe, die miteinander zusammenhängen und in Gruppen immer wieder wichtige Objekte von Überlegungen sein sollen. In der Transaktionsanalyse lassen sich beide Begriffe gut durch Modelle erklären. Team Zur Begriffsklärung: Ein Team hat sich als Gegenpol zur Gestaltung von Arbeitsbeziehungen durch hierarchische Strukturen entwickelt. Kooperation statt Einzelarbeit, Selbstorganisation statt starrer Über- und Unterordnung, Selbstverantwortung statt Befolgung von Anordnungen und Befehlen sind zentrale Anliegen. Team ist das Ergebnis der Beschäftigung mit Fragen der Arbeitsorganisation durch Schulen der humanistischen Psychologie (s.a. Köster, 1994). Abele versteht unter einem Team eine betriebliche Einheit mit ihrem Leiter (1994, 187) und weiter als ein System, d.h. als eine "dynamische Zuordnung" der Mitglieder mit ihren Eigenschaften, die in wechselseitigen Interaktionen miteinander stehen. Ihre Beziehungen gewährleisten den Zusammenhalt des Systems. Abele weist auf das formelle und informelle System hin. Ein geeignetes Modell zur Erklärung einer positiven Teamsituation ist die "ich bin o.k. - du bist o.k." Position im o.k. - corral, wo alle beteiligten Personen in einem Team wie folgt beschrieben werden können: diese Menschen haben Erfolge und werden mit ihrem Leben selbst fertig. Sie haben sich von ihren eigenen nicht - o.k. - Gefühlen befreit und können daher auch auf den o.k. - Gefühlen anderer aufbauen und sie suchen. Es besteht ein gewaltiger Unterschied zwischen den ersten drei (nicht o.k. - Positionen) und der vierten. Die ersten drei sind unbewußte - skriptgeleitete - Anpassungen, die im Kindesalter ihren Ursprung haben. Die vierte Anschauung - ich bin o.k. - du bist o.k. basiert auf eigenem Nachdenken. Sie kann als einzige rational im Hier und Jetzt wirken. Damit wird klar, daß eine Person, die erfolgreich in einem Team arbeiten will, sich einer Auseinandersetzung mit sich selbst gestellt haben soll. In der Psychotherapie sind dies Eigenanalyse, Gruppenselbsterfahrung und Supervision. In der Transaktionsanalyse werden in diesen Prozessen die eigenen Skriptmuster erkannt, verdeutlicht und hinterfragt. Vergangene Ereignisse und in der Kindheit Erlebtes werden auf ihre Bedeutsamkeit hin untersucht, Spiele erkannt und so die wahren hinter den Rackets stehenden Bedürfnisse "freigelegt" und befriedigt. Natürlich sind Menschen in Streßsituationen der Gefahr ausgeliefert, in ihre alten Skriptmuster zurückzufallen. Für eine Teamsituation würde dies bedeuten, daß unter großem Druck die Teammitglieder in ihr individuelles Skriptverhalten kommen. Der Druck kann von verschiedenen Seiten kommen, es kann sich um gesetzliche Restriktionen, um Neuordnungen äußerer Strukturen wie die Schaffung von Gesetzen, Neugründungen von Vereinen, etc. handeln. Druck kann durch eine Verknappung von Ressourcen entstehen, diese Ressource kann materielle Werte wie Geld, Zeit und Informationen als auch immaterielle Werte wie Gefühle, Lob und Zuwendung bedeuten. Das Fehlen all dieser Ressourcen kann fatale Folgen haben. So ist ein oft beobachtetes Muster bei ehrenamtlichen Tätigkeiten, daß die Ausübenden ihre Tätigkeiten nicht aus freien Stücken tun, sondern statt einer materiellen Belohnung eine immaterielle erwarten. Allein darin liegt ein großes Spielpotential. Ein mögliches Szenario in einem Team wäre eine Bedrohung von außen oder von innen, die die Teammitglieder so unter Druck setzt und sich das Bewußtsein und Handeln im Hier und Jetzt nicht mehr aufrechterhalten läßt, sodaß die Teammitglieder in ihr jeweiliges eigenes Skriptverhalten verfallen und die Situation außer Kontrolle gerät. Was ist also zu tun? In einem Team, wo sich die Mitglieder im Hier und Jetzt begegnen und sich damit auch regelmäßig auseinandersetzen - auf ihr Team achten - wird es möglich sein, eine Situation zu schaffen und durch regelmäßige "Exerzitien" aufrecht zu erhalten, wo skriptfreies Verhalten - gekennzeichnet durch Bewußtheit, Spontaneität und Intimität - möglich ist. Exerzitien können Supervisionen zum "Aufstöbern" von Pathologien (Spiele, Skript, Trübungen, Ich-Zustands-Ausschlüsse, etc.), gemeinsam erlebte freudige Ereignisse (freies Kind), gemeinsames Lob (strokes imateriell als auch materiell) und vieles mehr, das Wachstum ermöglicht, sein. Sollte ein Team in eine "pathologische" Situation abgleiten, so gilt es, wieder den o.k. - Status zu erlangen. Sowohl die einzelnen Teammitglieder als auch das Team als ganzes benötigen Hilfe und Unterstützung in Form von Eigenanalyse und Supervision. Meist sind Krisen Quellen des Wachstums und als solche wertvoll. Die frühe Erkennung einer solchen Situation sind die Charakteristika wie bei jedem Spiel: Teile des Hier und Jetzt werden ausgeblendet, Rabattmarken werden gesammelt, etc. Die Gefahr in einer solchen Situation liegt darin, daß das Verbleiben im Skript sehr lange andauert und wenig an den Lösungen gearbeitet wird. Es kann sich ein "Totstellreflex" ergeben, wo Monate vergehen können, bis eine konkrete Lösung in Angriff genommen wird. Je länger nun dieser Zustand andauert, umso länger sind die Personen ihrem alten Skriptverhalten, ihren Spielen mit ihren Spielgewinnen, etc. ausgesetzt. Schlechte Laune, Feindseligkeiten, somatische Beschwerden bis hin zu Krankheiten und Unfällen kennzeichnen diese unerfreuliche Situation. Je länger Skriptverhalten andauert, umso länger wird für die Auflösung benötigt und umso mehr Energie bedarf es. Das Team ist also für eine lange Zeit wenig handlungsfähig und kann seine Ressourcen im Hier und Jetzt nicht einsetzen. Das Team leidet darunter. Macht Macht ist ein gerne verwendeter und strapazierter Begriff. Autorität und Gehorsam fallen in die Nähe des Begriffes Macht. Aus der Sicht der TA ist das Phänomen Macht am besten aus Sicht der Beteiligten zu sehen. Es hat nicht nur jemand Macht, es wird auch jemand Macht gegeben. Macht im pathologischen Sinn läßt sich gut mit dem Modell des Abwertens und der Grandiosität erklären. Bei Grandiosität handelt es sich um eine Übertreibung irgendeines Aspektes der Realität. So kann jemand grandios werden, weil er aus seinem Skript heraus handelt, oder - im Sinne eines sich wechselseitig bedingenden Verhaltens - kann jemand Grandiosität gegeben werden. So kann sich jemand selbst mehr Macht nehmen oder zuschreiben, als in der Realität existiert oder auch jemand mehr Macht zugeschrieben werden. Die vier passiven Verhaltensweisen - Nichts tun, Überanpassung, Agitation und Selbstbeeinträchtigung oder Gewalt - von Schiff (1971) fördern Macht. Steiner (1981) schreibt über subtile Machtspiele, daß Menschen die sich gehorsam verhalten, ihre Gefühle und Ängste verlieren und den Lügen anderer Menschen glauben. Wenn Menschen Zweifel verspüren, zweifeln sie an sich selbst und nicht an denen, denen sie gehorchen. Steiner meint, daß der erste Weg, Macht zu bekommen, ohne Machtspiele zu spielen, der ist, ungehorsam zu werden. Jeder Mensch ist ein freies menschliches Wesen und Freiheit ist machtvoll, wenn wir Gebrauch davon machen (1981, 50). Steiner fährt fort, daß den Menschen Gehorsam von vielen Seiten gelernt wird: von den Eltern, in der Schule und von allen anderen Einrichtungen in der Kindheit. Illich (1972) meint, daß in der Schule viel gelernt wird, was mit den offiziellen Bildungsinhalten nichts zu tun hat. Die Schulen lehren aufgrund der dort herrschenden Disziplin und Ordnung das, was Illich passiven Konsum nennt, d.h. eine unkritische Akzeptanz der existierenden sozialen Ordnung. Diese Dinge werden nicht bewußt unterrichtet, sondern sie sind ein fixer Bestandteil der Schulorganisation und des schulischen Ablaufs. Der verborgene Lehrplan lehrt die Kinder, daß ihre Rolle im Leben darin besteht, "ihren Platz zu kennen und still dort zu verharren". Wie weit Gehorsam sich in Denken, Fühlen und Verhalten von Menschen niederschlägt, zeigt das Experiment von Milgram (1965), wo er Versuchspersonen Lernende mit Stromstößen bestrafen ließ. Ein Großteil der Versuchspersonen verhielt sich sehr gehorsam. Ein anderes trauriges Kapitel über gehorsam ist das 3. Reich. Um Auswüchse von Macht zu verhindern, ist es notwendig, Ungehorsam zu fördern. Wieder werden Kreativität, Spontaneität und Bewußtheit wichtig, wieder gilt es, sein eigenes Skriptmuster zu kennen. Ich glaube, um pathologische Macht und deren Ausübung zu verhindern, ist es notwendig, selbst einmal Macht erlebt zu haben. Es gibt Situationen, wo die Ausübung von Macht notwendig ist, dort, wo Mitmenschen momentan nicht imstande sind, Entscheidungen zu treffen und dadurch gefährdet sind. Der Ich-Zustand, aus dem diese Macht kommt, ist das positive kritische Eltern-Ich, besser ist es aber, Entscheidungen, die den Umgang mit Mitmenschen betreffen, aus allen drei Ich-Zuständen zu treffen. Als Lehrtherapeut kann das Vermitteln von Ungehorsam eine große Modellwirkung haben. Ungehorsam darf nicht mit Rebellion verwechselt werden, das heißt, Ungehorsam sollte zumindest aus dem positiven rebellischen Kindheits-Ich kommen und - wenn möglich - auch aus einem verantwortungsvollen Erwachsenen-Ich und aus einem Eltern-Ich. Ungehorsam versteht sich hier als Enttrübung und nicht als Handlung aus dem negativen Teil des rebellischen Kindheits-Ich. Eine oft gestellte Frage in therapeutischen Settings ist folgende: "Was willst Du?" Die Antwort kann lauten, daß der Klient nun lernt, seine wirklichen Wünsche und Bedürfnisse zu benennen. Das kann von seiner vertrauten Umwelt als Ungehorsam interpretiert werden. Durch mehrmalige Auseinandersetzung mit diesem Thema wird sich dieser "Ungehorsam" in einem neuen Verhalten festigen, das authentisch ist und von der Umgebung als selbst gewähltes und autonomes Verhalten interpretiert wird. Steiner schreibt im Zusammenhang mit Gehorsam über das Schweineeltern-Ich, das "Pig Parent" und nennt dies den Feind in uns. Er macht uns gefügig gegenüber Autoritäten und läßt uns fühlen, daß wir nicht o.k. sind, häßlich und schlecht sind und es nicht schaffen werden. Der Feind in uns kann uns mit somatischen Beschwerden oder durch Alpträume quälen. Wenn wir ihn herausfordern, kann er nicht überleben. Je mehr Macht wir im täglichen Leben verspüren, desto schwächer ist das Schweineeltern-Ich in uns (1981,59). Er bezieht sich also auf die frühen elterlichen Einschärfungen, die dann viele Jahre später wieder ihre Wirkung zeigen. Steiner beschreibt im weiteren Verlauf einige Machtspiele, die um das "Alles oder Nichts" - Muster kreisen. Machtspiele zielen auf die körperlichen und seelischen Schwächen der Mitmenschen. Sie sind daher extrem skriptverstärkend und führen zu einem Gefühl des Verlustes. Charakteristisch für Machtspiele sind Polarisierungen wie "entweder oder" oder "jetzt oder nie" usf, d.h. es gibt keine Zwischentöne. Wie aus den Ausführungen über Macht zu entnehmen, ist es immer wichtig, die jeweilige Situation zu hinterfragen, zu achten, woher eine Unterdrückung kommen kann, welche Spiele gespielt werden und welche Ich-Zustände betroffen sind. Im positiven kann es auch wichtig sein, Macht auszuüben, um negativen Entwicklungen gegenzusteuern. Ein wichtiges Mittel, dem Mißbrauch von Macht entgegenzusteuern sind die Verträge. Es scheint kein Zufall zu sein, daß sich gerade Steiner (1982) ausführlich mit Verträgen beschäftigt hat. Schlußbemerkung Dieser Artikel soll dazu dienen, in einem Team erfolgreich und zufrieden zusammenarbeiten zu können und sowohl die sinnvollen als auch die gefährlichen Seiten von Macht zu beleuchten. Es gibt Situationen, wo einer Einzelarbeit der Vorrang zu geben ist, doch bietet ein Team ein sehr großes Potential, neue Wege zu beschreiten und neue Erkenntnisse zu bekommen. Auch ist es eine Möglichkeit, das oft "selbst verschriebene Einzelkämpfertum" zu verlassen und sich auf ein gemeinsames Handeln einzulassen. Teamarbeit ist sehr wichtig. Die Verbindung zu Macht kann eine positive sein, doch hat Macht in Form von Unterdrückung sehr negative Seiten. Wie bei allen negativen Entwicklungen kann nur stetige Wachsamkeit den Anfängen wehren. Literatur Abele, P.R. 1994. Teamtraining im Kontext von Organisationen. Zeitschrift für Transaktionsanalyse in Theorie und Praxis 11, 3-4, 187-224. Paderborn: Junfermann. Illich, I. 1972. Entschulung der Gesellschaft. München: Kösel. Köster, R. 1994. Teamsupervision - Was ist das? Überlegungen zur Konzeptbildung. Zeitschrift für Transaktionsanalyse in Theorie und Praxis 11, 2, 76 - 90. Paderborn: Junfermann. Milgram, S. 1965. Some conditions of obedience and disobedience to authority. Human Relations, 18, 56-76. Schiff, A. & Schiff, J. 1971. Passivity. In: Volume of Selected Articles from the Transactional Analysis Journal 1971 - 1980. Steiner, C. 1981. The Other Side of Power. New York: Grove Press Inc. Steiner, C. 1982. Wie man Lebenspläne verändert. München: Deutscher Taschenbuch Verlag. Stewart, I. & Joines, V. 1990. Die Transaktionsanalyse. Freiburg: Herder. |